GR 11 – Senda Pirenaica – Wandern in Spanien

GR 11 Senda Pirenaica Wandern in Spanien

Vorab – wir sind nicht den ganzen GR 11 gewandert. Und leider auch nicht die Strecke, die wir für 14 Tage geplant hatten. Manchmal kommt es eben ganz anders.

Übersicht unseres Weges. Wie man sieht, sind wir leider nur einen Bruchteil des GR 11 gelaufen.
Übersicht unseres Weges. Wie man sieht, sind wir leider nur einen Bruchteil des GR 11 gelaufen. (entnommen: GR 11 – Senda Pirenaica 24 maps 1:50’000)

Insgesamt haben wir neun Tage auf dem GR 11 verbracht, einer davon war mit einer Busfahrt über Pamplona unterbrochen (schwarz unterlegt). Warum wir das machen mussten und warum wir in Candanchu abgebrochen haben, steht weiter unten.

Planung für den GR 11

Der GR 11 ist Teil des GR-Fernwanderwegenetzes. Er führt von der Atlantik-Küste hauptsächlich über die spanische Pyrenäenseite ans Mittelmeer. Sein Pendant, der GR 10, verläuft parallel dazu auf der französischen Seite.

Warum habe ich mich für den GR 11 entschieden? Grundsätzlich wollte ich wieder mit dem Zelt unterwegs sein – man ist unabhängiger in der Etappenplanung. Das Wildzelten ist in den Pyrenäen bis auf wenige Ausnahmen in Naturschutzgebieten geduldet. Selbst in den Naturschutzgebieten ist es mit Auflagen gestattet, beispielsweise darf man nur ab einer gewissen Höhe zelten und darf das Lager erst ca. 1 Stunde vor Sonnenuntergang errichten und muss es ebenso zeitnah wieder abbauen. Dass man sich nach dem Motto „Leave no trace“ richtet, sollte selbstverständlich sein.
Der GR 11 verläuft auf der spanischen Seite und es wird behauptet, es gäbe tendenziell mehr Sonnenschein. Er scheint weniger begangen zu werden als der GR 10, was ich auch gut fand.

Anreise zum GR 11

Wo also beginnen, wenn man nur 14 Tage Zeit hat? Welche Richtung, also Ost-West oder West-Ost, ist schöner?

Der Rother Wanderführer, nach dem wir uns gerichtet haben, beschreibt die Wanderung von Westen nach Osten. Das war mir recht, denn die Berge sind an der Atlantik-Seite erst hügelig, steigen aber rasch an, sodass man nach ca. 7 Etappen ins Hochgebirge kommt, während man vom Mittelmeer aus die ersten Tage ein relativ flaches Höhenprofil hat. Auch wenn das Hochgebirge vermutlich spektakulärer ist und wir sowieso nur 14 Tage Zeit haben, dachte ich mir, es wäre eine schöne Abwechslung, erst in den grünen Hügeln des Baskenlandes zu wandern, um dann ins Hochgebirge hinaufzusteigen.

Vor dem Hotel in Irun
Am nächsten Morgen vor dem Hotel in Irun. Die Wanderung beginnt mit Tüte in der Hand.

Eine kurze Recherche ergab, dass sich ein Interrail-Ticket für uns lohnen würde, zumal ich mich nicht genau festlegen wollte, wann wir wieder zurückfahren würden. Noch dazu ist nicht in jeder Etappe ein Abbruch des GR 11 möglich beziehungsweise ein Abbruch erfordert meist eine lange Wanderung zurück in die Zivilisation, wo man Bus- und Bahnhaltestellen findet.

Wir fahren also erst mit dem Schnellzug von Straßbourg nach Paris, dort mit einer höllenvollen Linie 4 von Paris Est nach Paris Montparnasse, um hier in einen weiteren Schnellzug nach Hendaye einzusteigen. Von Hendaye versuchen wir ein Taxi zu unserem Hotel zu bekommen, was aber nicht möglich ist, da der Zug eine halbe Stunde Verspätung hatte und sämtliche Zuginsassen sich auf die Taxis gestürzt hatten. Wir sind schlicht zu langsam! Also heißt es um Mitternacht erst mal 3 Kilometer über die Grenze ins spanische Irun zu laufen und das Hotel zu suchen.

Kleiner Tipp für Interrail-Reisende: Frühzeitig buchen lohnt sich, wenn man Schnellzüge benutzen möchte. In solche Züge kommt man nicht ohne Sitzplatzreservierung, und diese sind rasch ausverkauft.

Etappe 1 von Irun bis kurz vor Bera

Die erste Etappe sieht 31,5 Kilometer vor. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass die Autorin des Reiseführers nicht von einer Zeltwanderung ausgeht, sondern Unterkünfte vorschlagen möchte. Wir sind uns gleich einig, dass wir so viele Kilometer am ersten Tag nicht schaffen wollen.

Erst einmal müssen wir aus Irun heraus. Ein Mann spricht uns an, als wir im Stehen über der Karte brüten, und wir radebrechen deutsch, englisch und spanisch, und er kann uns tatsächlich in die richtige Richtung schicken. Am Ortsausgang finden wir auch die ersten rotweißen Streifen, mit denen der GR 11 markiert ist. Gleich geht es steil bergauf:

Im Hintergrund hört man noch den Stadtlärm, aber das gibt sich bald. Meine Isomatte muss ich mal wieder mit der Wäscheleine befestigen, weil wir so viel Proviant im Rucksack haben. Irgendwie habe ich die Bindetechnik nicht ganz raus, denn die Isomatte rutscht ständig runter. In ein paar Tagen, wenn die ersten Proviantpäckchen gegessen sind, kann ich sie mit dem Rucksack verschnallen.

In der Tüte schleppe ich übrigens unsere Brote von der gestrigen Zugfahrt mit herum, die wir nicht geschafft haben. Wir verzehren die nicht mehr allzu appetitliche Masse auf einem Picknickplatz bei der Ermita de San Martzial (eine Kapelle) und weil wir das auch nicht ganz schaffen, legen wir ein paar Höhenmeter weiter oben eine frühe Mittagspause hinterher, um den letzten Blick aufs Meer zu genießen.

Mittagspause auf dem Berg und der letzte Blick aufs Meer
Mittagspause auf dem Berg und der letzte Blick aufs Meer

Weiter geht es. Von geteerter breiter Straße über Schotterwege bis zum Wanderpfad ist heute alles dabei. Wald und Wiese wechseln sich ab und wir kommen noch zweimal an Picknickplätzen vorbei, wo die Leute gemeinerweise duftende Würstchen braten und allerhand Leckeres essen.

Wir haben aber noch viel Strecke vor uns. Zum Glück ist der Weg durchgehend gut markiert, sodass wir uns nicht mit der Karte aufhalten müssen. Es geht hoch und runter und da die Berge eher klein sind und dafür sehr viele, verlieren wir bald das Gefühl dafür, wo wir hergekommen sind und wo es hingeht.

Die Berge sind noch nicht so hoch
Die Berge sind noch nicht so hoch, aber hoch genug, dass man ins Schwitzen kommt.

Unser nächster Wegpunkt ist ein See und obwohl im Führer nichts davon steht, hoffen wir insgeheim, dass wir vielleicht hineinspringen können. Es ist sehr heiß heute und wir lechzen nach Abkühlung. Immer wieder begegnen uns Leute. Man merkt, dass die Küste mit ihren Städten noch nicht weit weg ist.

Wir laufen und laufen, wo bleibt nur der See?

Endlich kommt er in Sicht:

Endlich den See erreicht, aber es ist ein Stausee und es gibt nirgends eine Bademöglichkeit
Endlich den See erreicht, aber es ist ein Stausee und es gibt nirgends eine Bademöglichkeit

So ein Pech, das Ufer ist ziemlich unzugänglich. So bleibt uns nur, das Wasser sehnsüchtig zu betrachten und die Staumauer zu überqueren.

Am Ufer des Sees befindet sich eine Kapelle namens Ermita de San Antón. Hier soll es einen Brunnen geben, wo wir unsere Flaschen wieder auffüllen wollen. Von weitem hören wir schon Stimmengewirr und als wir das Klostergelände betreten, sehen wir, dass mindestens zehn Jugendliche ihr Lager dort aufgeschlagen haben. Überall liegen ihre Wanderausrüstungsgegenstände verstreut. Sie hören Musik, sind fröhlich und verbreiten gute Laune.

Wir bleiben diskret im Hintergrund und füllen unser Wasser auf. Betreten können wir die Kirche nicht, sie ist abgeschlossen.

Am Kloster XXX. Wir füllen unser Wasser auf.
An der Kapelle Ermita de San Antón. Wir füllen unser Wasser auf.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nun geht es wieder steil bergauf, noch dazu auf einem zugewachsenen Naturpfad. Wir steigen verbissen ohne ein Wort nach oben, es ist zu anstrengend und wir sind ziemlich fertig. Als allerdings oben der Weg wieder flach wird und auf einer breiten Teerstraße an vielen hübschen Bauernhöfen vorbeiführt, bessert sich unsere Laune. Nur als wir an diesem Brunnen vorbeikommen, realisiere ich für einen niederschmetternden Moment, dass ich das schwere Wasser völlig umsonst den Berg hochgeschleppt habe.

Idyllischer Brunnen an einem Bauernhof
Idyllischer Brunnen an einem Bauernhof

Die Abendstimmung ist wunderschön und wir halten Ausschau nach einem geeigneten Nachtlager. Was gar nicht so einfach ist, denn überall sind Zäune, hinter denen Kühe oder anderes Getier weidet, Bäume und vor allem Dornengestrüpp. Und natürlich ist es auch alles andere als eben hier in den Bergen.

Egal. Wir werden etwas finden. Es ist so schön in der Abendsonne und der Weg führt ohne große Steigungen am Hang entlang. Wir haben sogar das Etappenziel, nämlich Bera, schon im Blick, was uns wirklich erstaunt. So weit wollten wir doch heute gar nicht kommen!

Und kurz vor dem Abstieg ins Tal finden wir glücklicherweise noch ein idyllisches Plätzchen für unser Zelt.

Wir haben einen Übernachtungsplatz zwischen Farnpflanzen gefunden, sogar in der Abendsonne.
Wir haben einen Übernachtungsplatz zwischen Farnpflanzen gefunden, sogar in der Abendsonne.

Schön versteckt zwischen Farnen, auch wenn der Weg keine fünf Meter weit weg ist. Was soll’s, wir sind hier die einzigen oben auf dem Berg. Jetzt wird gekocht, dann das Zelt aufgestellt und dann geht es ins Bett.

Etappe 2 über Bera in Richtung Elizondo

Morgenstimmung auf dem Berg.
Morgenstimmung auf dem Berg. Schnell noch die Haare kämmen, ehe wir aufbrechen.

Es ist früh am Morgen, ca. halb sieben. Auch die zweite Etappe ist mit über 30 Kilometer veranschlagt. Gut, das braucht uns nicht zu stören, wir sind mit dem Zelt unabhängig, aber dennoch. Es sind noch etwas mehr als vier Kilometer nach Bera.

Wie eine Decke hat sich die Wolke über das Tal gelegt. Bera ist nicht mehr zu sehen.
Wie eine Decke hat sich die Wolke über das Tal gelegt. Bera ist nicht mehr zu sehen.

Es geht über breite Wege auf dem Kamm entlang. Kein Mensch ist unterwegs. Später führt der Weg steil bergab, durch den Schotter ist es mühsam zu gehen. Als wir die Stadt erreichen, halten uns zwei Frauen an und fragen uns aus. Wer sind wir, wohin wollen wir?

Ein weiß-roter Wegweiser des GR 11, kreativ interpretiert!
Ein weiß-roter Wegweiser des GR 11, kreativ interpretiert!

Da man unterwegs öfter solche Fragen gestellt bekommt, haben wir gleich Antworten auf Spanisch parat, aber als sie merken, dass wir das nicht so gut sprechen können, versuchen sie es auf Englisch. Auch nicht so das Gelbe vom Ei! Jedenfalls ist es lustig und wir gehen beschwingt weiter. Auf einer Brücke stoppt gleich wieder ein Auto und erneut entspannt sich ein Gespräch. Ich bin begeistert, so nette Menschen in diesem Land!

Wir haben bis jetzt noch nichts gefrühstückt und langsam knurrt der Magen. Wir kommen an einladenden Cafés vorbei, aber wir bremsen uns. Zuerst muss der Rucksack leichter werden.

Wir suchen öffentliche Toiletten, um unser Wasser nachzufüllen, aber eine Frau spricht uns an und erklärt uns, dass diese geschlossen wurden. Grr.

Auf der Suche nach den Toiletten haben wir unsere Wegweiser aus den Augen verloren und irren etwas ratlos durch die Straßen. Ich halte Ausschau nach einem weiteren Café oder Restaurant, doch gerade ist nichts in Sicht. Eine Frau gießt vor einem Laden Blumen, die werde ich fragen.

Sie guckt uns erstaunt an und schickt uns in Richtung Fluss. Hm, meint sie jetzt, wir sollen unser Wasser aus dem Fluss schöpfen? Doch dann sehen wir den Brunnen und sind erleichtert.

Ein glücklicher Zufall führt uns zu diesem hübschen Brunnen
Ein glücklicher Zufall führt uns zu diesem hübschen Brunnen

Mittlerweile ist es halb elf. Wir keuchen mit vollen Wasserflaschen und Wasserbäuchen in der immer heißeren Sonne den Berg hoch und suchen mit wachsender Dringlichkeit einen Platz im Schatten, wo wir unseren Frühstücksbrei kochen können. So einfach ist das nämlich nicht, der Weg ist von beiden Seiten von Zäunen begrenzt oder in der prallen Sonne. Mittlerweile bereue ich es, dass wir am öffentlichen Schwimmbad von Bera vorbeigelaufen sind. Das wäre eine tolle Abkühlung gewesen!

Blick zurück auf Bera. Der Weg führt unter sengender Sonne den Berg hoch.
Blick zurück auf Bera. Der Weg führt unter sengender Sonne den Berg hoch.

Schließlich klettern wir die Wegböschung nach oben unter ein paar Bäume und rollen die Isomatten auf. Bis unsere T-Shirts getrocknet sind, dauert es eine Weile, aber hey, endlich Frühstück!

Auf dem Foto sieht man Bera, aber ich kann wirklich nicht sagen, wo wir heute morgen heruntergelaufen und hergekommen sind. Diese kleinen Hügelchen und Bergchen lassen einem völlig die Orientierung verlieren.

Der Weg verlangt uns jetzt einiges ab. Sonne pur auf schönen Graswegen. Bremsen umschwirren uns und ich kriege die Anweisung, hinter meiner Tochter zu laufen und darauf zu achten, dass sich keine Bremsen auf ihrem Po niederlassen. Denn irgendwie mögen sie meine Tochter besonders und verschmähen dafür mich. Ich sinniere darüber, warum Bremsen Bremsen heißen, denn wir legen eigentlich eher Sprints hin anstatt zu bremsen, wenn sie sich auf uns niederlassen.

Anscheinend mögen Bremsen die Hitze. Dieser Weg wird mir aufgrund der vielen Bremsen in Erinnerung bleiben.
Anscheinend mögen Bremsen Farne und die Hitze. Dieser Weg wird mir aufgrund der vielen Bremsen in Erinnerung bleiben.

Gegen Mittag taumeln wir dahin und fühlen uns einem Sonnenstich nahe. Zum Glück finden wir eine Art Parkplatz unter einem verlassenen Restaurant – ein richtig gruseliger „lost place“, aber es ist uns egal, Hauptsache Schatten. Wir dösen, bis die Sonne wandert und uns erneut brutzelt.

Mittagessen im spärlichen Schatten
Mittagessen im spärlichen Schatten

Das Wasserthema beschäftigt uns immer wieder. Im Führer steht, wir kämen an einem Hof mit mehreren Quellen vorbei. Das stimmt auch. Doch was sich so idyllisch anhört, entpuppt sich als intensiv bewirtschafteter Großbetrieb mit Massen von Rindern und Pferden, die nicht nur die Wege völlig zertrampelt haben, sondern auch ihre Weiden.

Matschweg
Wie kommt man da rüber, ohne im Matsch zu versinken?

Wir laufen und laufen. Wenn die Sonne am späten Nachmittag tiefer sinkt, bessert sich meine Laune regelmäßig. Ich kriege wieder einen Energieschub und fliege die Berge hoch. Doch das Etappenende Elizondo schaffen wir heute nicht mehr. Als es zu dämmern beginnt, werden wir unruhig. Eigentlich war da im Führer eine Einkehrmöglichkeit bei Eskisaroiko Lepoa  angegeben, wo ich hoffte, daneben zelten zu können, doch wir erreichen die Stelle nicht mehr. Also greifen wir zu, als sich etwas oberhalb des Weges diese Zeltmöglichkeit bietet:

Zeltmöglichkeit im Wald mit Feuerstelle.
Zeltmöglichkeit im Wald mit Feuerstelle. Hier waren wir nicht die ersten.

Was da in der Feuerstelle liegt, sind Zitronenschalen. Wir haben kein Feuer gemacht, sondern nur mit unserem Spirituskocher unser Wasser erhitzt. Gute Nacht.

Etappe 3 über Elizondo in Richtung Auritz/Burguete

Unsere Nacht verläuft dieses Mal nicht ganz so ruhig. Kaum sind wir eingeschlafen, kommt ein Pferd mit Stampf-Stampf-Stampf in flottem Tempo den Weg entlanggetrabt, hält misstrauisch inne und poltert dann im Wald um unser Zelt herum. Bis wir erst einmal kapieren, von wem diese donnernden Schritte kommen und wir uns aus der Angststarre lösen können! Das Pferd traut sich nicht an unserem Zelt vorbei und verzieht sich nach einiger Zeit wieder. Irgendwann in der Nacht kommt es nochmal, nimmt seinen Mut zusammen und rennt vorbei.

Am nächsten Morgen, als wir aufbrechen, erkennen wir, dass es eine Stute mit Fohlen ist. Als sie uns den Pfad entlangwandern sehen, stürmen beide sofort davon. Weil es keine Ausweichmöglichkeit gibt, treiben wir sie unfreiwillig vor uns her, bis sich der Wald öffnet und die Pferde auf eine Wiese entkommen können. Meine Güte.

Ein Bunker aus Zeiten des Bürgerkriegs/Zweiten Weltkriegs.
Ein Bunker aus Zeiten des Bürgerkriegs/Zweiten Weltkriegs.

Nach dem Abenteuer mit dem Pferd wandern wir jetzt deutlich entspannter den Berg hinauf und dann auf dem Kamm entlang. Wir passieren ein Zelt, vor dem ein junges Pärchen sitzt und das von einer großen grasenden Pferdeherde – auch mit Fohlen – umringt ist. Warum war ‚unser‘ Pferd so panisch? Sooo grauslig sehen wir doch gar nicht aus.

Wir passieren einige Bunker aus den Zeiten des Bürgerkriegs bzw. des Zweiten Weltkriegs. Überhaupt stoßen wir während unserer Wanderung immer wieder auf solche Gebäude.

Frühstück mit Aussicht. Ab jetzt geht es bergab.
Frühstück mit Aussicht. Ab jetzt geht es bergab.

Irgendwo da unten muss Elizondo liegen, das Ende der zweiten Etappe, das wir halt erst am dritten Tag erreichen. Wen interessiert’s?

Mystischer Wald, überwuchert von Moos und Flechten
Mystischer Wald, überwuchert von Moos und Flechten

Während wir durch dunkle, geheimnisvolle Wälder abwärts in Richtung Elizondo wandern, kristallisiert sich ein neues Problem heraus. Die Tochter wird immer wortkarger. Irgendwann erklärt sie, dass sie Fußschmerzen hat. Oh je. Blasen vielleicht? Wir gucken die Füße an und kleben sicherheitshalber ein Pflaster auf die verdächtigen Stellen.

In Elizondo will sie nicht mehr weitergehen. Ich kriege Panik. Blasen können sehr schmerzhaft sein, sodass man schon mal eine Wanderung abbrechen muss. Zufällig hat sie ihren letzten Schritt vor einem Schuhgeschäft getan. Ich biete ihr an, neue Schuhe zu kaufen. Lieber die teuersten Designerschuhe erwerben als die Wanderung abbrechen!

Nach reiflicher Überlegung entscheidet sie, erstmal eine Pause einzulegen. Wir werfen uns vor einer Kirche in den Schatten, kaufen Bananenchips (erstaunlich, dass wir so was gefunden haben) und laden dann in der Kirche unsere Handys auf. Danke, Christine Thürmer, für diesen Tipp. Es funktioniert wirklich.

Pause vor der Kirche in Elizondo. Die Tochter verarztet ihre Füße.
Pause vor der Kirche in Elizondo. Die Tochter verarztet ihre Füße.

Und dann begehen wir den entscheidenden Fehler: Wir kleben dicke Blasenpflaster auf und wandern weiter. Ohne neue Schuhe.

Es gibt hier unglaublich alte Baumriesen. Hier einer, der leider geborsten ist.
Es gibt hier unglaublich alte Baumriesen. Hier einer, der leider geborsten ist.

Erst scheint alles gutzugehen. Es tut natürlich noch weh, ist aber auszuhalten, sagt sie. Wir steigen den Berg höher und höher hinauf, mehrere Stunden. Wir passieren die im Führer angegebene Quelle und meine Tochter jammert. Ob wir hier nicht zelten können. Ich zögere, es ist erst 16 Uhr und die Stelle überhaupt nicht ideal. Aber wenn es ihr so schlecht geht?

Nach einigem Hin und Her entscheiden wir weiterzugehen und eine bessere Stelle, nämlich den Collado de Urbillo, zu erreichen. Aber menno, dort ist es auch nicht sehr einladend und die einzig mögliche Stelle ist schon von einer anderen Wanderin mit Zelt besetzt.

Nebel kommt auf, und wir wandern durch gespenstische Bergwiesen, umklingelt von den Glöckchen der Weidetiere, die wir nicht sehen können. Ab und zu taucht aber doch mal ein Pferd, Schaf oder Rind aus dem weißen Dunst auf:

Pferde im Nebel
Pferde im Nebel

Wir laufen an der französischen Grenze entlang, erkennbar an einem Zaun. Wir sind froh, dass er da ist, sonst hätten wir im Nebel nur allzu leicht unseren Weg verloren. Es sollen jetzt nur noch etwa 4 Kilometer sein, bis wir die Borda de Quinta Real erreichen, was im Führer beschrieben ist mit ‚Quellen und Bänke‘. Hört sich doch nach einem guten Übernachtungsplatz an!

Borda de Quinto Real - Bänke und Quellen
Borda de Quinto Real – Bänke und Quellen

Die Bänke entpuppen sich als Steinbänke dicht an einer Hütte und die Quelle fließt aus einem Wasserhahn in ein Spülbecken. Es befinden sich weitere Hütten auf dem Gelände, die ziemlich privat aussehen. Da kein Mensch da ist, es schon spät am Abend ist, entschließen wir uns, einfach im Garten dieser Hütte zu zelten. Vorher nehmen wir noch eine dringend nötige Dusche, auch wenn es saukalt ist und zu regnen beginnt –> einfach Wasser in den Kochtopf füllen und sich übergießen. Herrlich, mal wieder sauber zu sein! Die ganze Nacht regnet es sanft und gemütlich und die Mäuse hüpfen über unsere Rucksäcke in der Apsis.

Etappe 4 von Borda de Quinto Real über Puerto de Urkiaga in Richtung Auritz/Burguete

Am nächsten Morgen lassen wir uns Zeit. Die Füße der Tochter schmerzen natürlich nach wie vor und während unsere Wäsche auf der Leine trocknet, überlegen wir hin und her, ob wir nach Elizondo zu dem kleinen Schuhladen zurückgehen sollen oder weiterwandern nach Auritz und von dort mit dem Bus nach Pamplona fahren, um neue Schuhe zu kaufen. Die zweite Entscheidung bedeutet noch eine weitere Übernachtung, bis wir die Stadt erreichen. Ich überlasse die Entscheidung komplett meiner Tochter.

Zurückgehen findet sie blöd, also laufen wir weiter mit tausend Pflastern an den Füßen. Zum Glück hab ich so viele Blasenpflaster eingepackt!

Man kann gar nicht oft genug die Aussicht genießen - hier auf dem Collado de Zagua
Man kann gar nicht oft genug die Aussicht genießen – hier auf dem Collado de Zagua

Bergauf läuft es sich ganz gut und wir schöpfen wieder Hoffnung. Vielleicht treten sich die Blasen ja fest und es ist keine Unterbrechung der Tour nötig?

Wir gelangen auf eine grasige Hochebene, die von vielen Kühen, Schafen und Pferden beweidet wird. Obwohl man aufpassen muss, nicht in die vielen Hinterlassenschaften zu treten, ist der Weg heute sehr malerisch. Als wir dann noch eine Bergspitze passieren, auf dem ein vielköpfiger Geier-Schwarm die Mittagspause verbringt, ist unser Glück perfekt. Was für ein Anblick!

Geier über Geier auf den Felsen - ein unbeschreiblicher Anblick
Geier über Geier auf den Felsen – ein unbeschreiblicher Anblick

Wir können uns kaum losreißen von den majestätischen Tieren. Der Weg führt am Fuß des Gipfels entlang über eine weitere Hochebene.

Immer wieder finden wir solche Bauten – merkwürdige Holzkästen, oben offen, mit einer Art Sitzbank drin. Sie begleiten uns eigentlich schon, seit wir Irun verlassen haben. Neben unserem ersten Übernachtungsplatz war auch so ein Ding – wenn du zurückblätterst zu Etappe 2, siehst du noch so einen Kasten auf dem Foto. Wir zerbrechen uns die Köpfe, was das sein soll.

Tauben-Schießstand. Eigentlich wollte ich es gar nicht so genau wissen.
Tauben-Schießstand. Eigentlich wollte ich es gar nicht so genau wissen.

Dabei steht es sogar im Führer, nur haben wir es nicht mit diesen Holzkästen in Verbindung gebracht. Wir befinden uns im Taubenjagdgebiet, wo jeden Herbst von geschätzten 4,5 Millionen Tauben, die hier nach Süden fliegen, ein Drittel abgeschossen wird. Ein Drittel! Die Gemeinden verdienen sich mit den Jagdlizenzen so einiges dazu.

Nachdem wir stundenlang über die Gipfel und an ihnen entlang in der Sonne gewandert sind, geht es nun im schattigen Wald hinab ins Tal. Unbedingt erwähnen möchte ich hier diese besonders dicken Buchen, aber auch Eichen und Edelkastanien – richtig, richtig schöne alte Bäume, riesengroß und knorrig. Wir folgen einem Fluss, an dessen Ufern weiteres Vieh weidet – für unseren Geschmack langsam zu viel. Es stinkt.

Wir erreichen die Albergue de Sorogain, wo wir unser Wasser auffüllen wollen. Doch der Wirt schickt uns fort. Am Fluss weiter unten sollen wir Wasser holen.

Der Wirt dieser Albergue schickt mich zum Wasserholen an den Fluss.
Der Wirt dieser Albergue schickt mich zum Wasserholen an den Fluss.

Da meine arme Tochter ja immer noch mit ihren Blasen zu tun hat, wandere ich alleine auf der Straße nach unten auf der Suche nach einer Quelle, denn unser Weg führt dort nicht entlang. Beladen mit 4,5 Litern Wasser kehre ich zurück und wir machen uns an den Aufstieg hinter der Albergue – in der Sonne und durch unzählige Pferde. 

Die Fohlen liegen erschöpft herum. Es ist aber auch heiß!
Die Fohlen liegen erschöpft herum. Es ist aber auch heiß!

Obwohl es schon 18 Uhr ist, knallt die Sonne auf uns herab. Wir schleppen uns den Berg hoch, frisch beladen mit schwerem Wasser. Und langsam werden wir ungehalten. Weidevieh, wohin das Auge blickt. Die armen Tiere stehen in dichten Herden, umgeben von ihren Exkrementen, neben denen sie vorsichtig Gras zupfen. Weidehaltung schön und gut, aber das ist viel zu dicht. Finde ich.

Sogar im Wald haben sie alles zertrampelt. So langsam sorgen wir uns, ob wir hier überhaupt zelten können. Egal ob links oder rechts vom Zaun, überall stehen Tiere herum. Der Boden ist zermatscht und übersät mit Häufchen jeder Art. Schließlich klettern wir über einen Zaun und finden – nur – vereinzelte Schafsköttel. Der Berg fällt hier steil ab und die Schafe befinden sich weit weg auf einem anderen Gipfel. Wir hoffen, dass sie uns heute Nacht nicht besuchen kommen …

Endlich finden wir ein Plätzchen für unser Zelt. Die Sonne steht nämlich schon tief.
Endlich finden wir ein Plätzchen für unser Zelt. Die Sonne steht nämlich schon tief.

Als wir gemütlich unser Abendessen verzehren, kommt ein Mann mit Hund an den Zaun. Auch er hat ein Zeltproblem, aber sorry, leider ist hier alles sehr schräg und schon wir haben Probleme, ein halbwegs ebenes Plätzchen ohne Tiere zu finden. Außerdem kommt er mit dem Hund eher schlecht über den Stacheldrahtzaun. Er verzieht sich in den zertrampelten Wald und wir hoffen, er findet einen Platz.

Rest Etappe 4 von irgendwo kurz vor Auritz/Burguete über Pamplona mit dem Bus nach Ochagavia

Auf dem Foto wirkt es vielleicht eben, aber der Boden ist überall abfallend. Immerhin hatten wir keinen Schafsbesuch in der Nacht. Vom Mann mit dem Hund ist nichts zu sehen.

Zelt vor einem kleinen Wald

Aufbruch am nächsten Morgen

Wir brechen zeitig auf, genießen einen wunderbaren Ausblick von den Berggipfeln am frühen Morgen. Herrlich!

Wundervolle Morgenstimmung über sanft gewellten Hügeln
Wundervolle Morgenstimmung über sanft gewellten Hügeln

Weit hinter uns sehen wir plötzlich den Mann mit dem Hund. Also hat er doch im Wald übernachtet. Oder oben auf der Weide bei den Kühen? Keine Ahnung. Sein Englisch ist nicht gut und unser Spanisch erst recht nicht.

Er überholt uns schließlich, als wir unsere Frühstückspause an einem kleinen Bachlauf machen. Hier nutzen wir die Gelegenheit, mal wieder ein paar Wäschestücke zu waschen. Der Bach ist voller Kaulquappen. Wir haben trotz unserer biologisch abbaubaren Seife Bedenken. Die armen Tiere wollen wir nicht stören, also wringen wir die Wäsche hauptsächlich im Gras aus.

Kirche in Auritz/Burguete. Leider ist sie abgeschlossen.
Kirche in Auritz/Burguete. Leider ist sie abgeschlossen und wir können die Handys nicht aufladen.

Als wir bergab laufen, stellt sich heraus, dass die Blasen immer noch schrecklich wehtun. Als wir Auritz/Burguete am frühen Mittag erreichen, steht fest, dass es so nicht weitergeht. Mist. Ich habe ja gehofft, wir kommen um die Busfahrt nach Pamplona herum. Aber die Gesundheit geht vor. Wir laufen den winzigen, aber sehr hübschen Ort hin und her und warten auf den Bus. Eine Stunde später finden wir uns mitten in der Großstadt wieder. Was für ein Kontrast!

Wir wundern uns über die Menschen, die alle weiß gekleidet sind und rote Schals bzw. Halstücher tragen. 

In Pamplona findet das Festival San Fermin statt. Alle tragen weiße Kleidung mit roten Halstüchern.
In Pamplona findet das Festival San Fermin statt. Alle tragen weiße Kleidung mit roten Halstüchern.

Ich frage die Schuhverkäuferin, was hier los ist. Sie spricht gut englisch und erklärt uns, dass in Pamplona gerade das Festival San Fermin stattfindet. Dieses Fest wird seit 1591 alljährlich in Pamplona vom 6. bis zum 14. Juli gefeiert zu Ehren des Heiligen Firmin des Älteren gefeiert, der um das dritte Jahrhundert n. Chr. die Gegend um das französische Amiens missionierte. Die Höhepunkte des Festes sind die Stierläufe durch die engen Gassen der Stadt, die an jedem der neun Tage morgens um 8 Uhr stattfinden und nur ca. drei Minuten dauern. Oha. Die Stiere haben wir nicht gefunden, dafür aber neue Schuhe.

Schuhregal im Kaufhaus
Im siebten Schuhhimmel

Die Tochter lässt die neuen Schuhe gleich an und wir haben noch Zeit für ein hastiges Mittagessen um 15 Uhr, bis der Bus nach Ochagavia kommt. Ja, wir haben uns entschlossen, zwei Etappen zu überspringen, um die verlorene Zeit aufzuholen. Schließlich wollen wir noch das Hochgebirge erreichen und genießen.

Die Stadt ist unerträglich heiß, 39°Celsius, wie wir einer Anzeigetafel entnehmen können. Wir sind froh, als wir im klimatisierten Bus sitzen. Anderthalb Stunden später erreichen wir Ochagavia, wo wir den Campingplatz ansteuern. Weiterwandern lohnt sich heute nicht mehr. Rechtzeitig vor einem Gewitter bauen wir das Zelt auf, waschen die Wäsche und duschen stundenlang.

Abendessen auf dem Zeltplatz in Ochogavia. Siehst du die schicken neuen Schuhe?
Abendessen auf dem Zeltplatz in Ochagavia. Siehst du die schicken neuen Schuhe?

 

Etappe 5 und 6 übersprungen, Etappe 7 von Ochagavia nach kurz vor Isaba

Die Laune der Tochter ist nicht die beste. Zwar hat sie neue Schuhe, aber die Blasen tun natürlich immer noch weh. Wir begehen außerdem einen blöden Fehler, also genauer gesagt, meine Schuld. Das Wasser vom Campingplatz ist schrecklich gechlort und ich beschließe, am Brunnen in der Stadtmitte, den ich gestern gesehen habe, unser Wasser aufzufüllen. Nur: Der Brunnen führt kein Wasser. Ich ärgere mich, ist mir das gestern nicht aufgefallen?

Wir schlendern durch Ochogavia auf der Suche nach Wasser
Wir schlendern durch Ochagavia auf der Suche nach Wasser. Schau auf die Uhr, es ist schon spät!

Schließlich spricht meine Tochter mit ihrem etwas besserem Spanisch eine alte Frau an, die gerade aus dem Haus kommt. Sie erklärt uns, dass es keine Brunnen gibt. Schreck! Dann aber schließt sie ihr Haus wieder auf, bittet uns herein und füllt uns bestes Quellwasser ab. Wir gehen ein Stück Weg gemeinsam und sie erklärt uns, dass sie mit einem ‚coche colectivo‘ nach Pamplona fährt. Eine Art Sammeltaxi? Warum sie fährt, bringen wir nicht in Erfahrung, und erst, als wir schon eine Stunde gelaufen sind und ich über unser Gespräch nachdenke, kapiere ich, dass sie uns nach unserer Herkunft gefragt hat. Diese Sprachbarrieren sind wirklich großer Mist. Aber ich kann doch nicht alle Sprachen dieser Erde lernen?

Mittagspause auf einer abgemähten Wiese
Mittagspause auf einer abgemähten Wiese

Die Wege heute sind eher langweilig, breite Schotterpisten durch intensiv genutzten Forstwald. Vom im Führer ausgewiesenen Picknickplatz existiert nur noch ein verfallener Steingrill auf einer zugewucherten Lichtung. Wir quetschen uns an dröhnenden Harvestern vorbei und ich denke mir, die Etappe hätten wir uns eigentlich ebenfalls sparen können.

So sehen die Wege heute aus: Breite Schotterpisten
So sehen die Wege heute aus: Breite Schotterpisten

Erst gegen Abend wandelt sich der glutheiße Schotterweg in einen schattigen Trampelpfad, der durch den Wald auf den Gipfel führt und einen wunderschönen Zeltplatz für uns bereithält.

Die Wolken trauen sich nicht auf die spanische Seite
 Die Wolken trauen sich nicht auf die spanische Seite

Gut, der Berggipfel ist jetzt nur 1363 m hoch (Milingrate), aber immerhin der höchste Punkt mit einem grandiosen Rundumblick. Obwohl es noch nicht spät ist, sind wir uns sofort einig. Hier bleiben wir.

Abendstimmung auf dem Berg. Etwas weiter hinten lassen sich die ersten höheren Berge erahnen.
Abendstimmung auf dem Berg. Etwas weiter hinten lassen sich die ersten höheren Berge erahnen.

Es ist schrecklich windig und wir müssen unsere Daunenjacken hervorkramen, sogar Mütze und Stirnband. Völlig egal. Wir sitzen und gucken und gucken. Die Wolken halten sich hartnäckig auf der französischen Nordseite und ich denke an die Leute, die dort auf dem parallelen GR 10 wandern. Die hocken jetzt alle im Nebel. Es scheint – zumindest für heute – zu stimmen, dass der GR 11 sonniger ist.

Traum erfüllt: Zelten auf dem Gipfel des Berges
Traum erfüllt: Zelten auf dem Gipfel des Berges

Das Zelt stellen wir doch lieber im Windschatten der Bäume auf. Wir bleiben noch lange draußen und beobachten, wie die Sonne hinter den Bergen versinkt. Auch wenn es furchtbar zugig und kalt ist – gibt es etwas Schöneres?

Etappe 8 über Isaba über den nicht vorhandenen Camping Zuriza in Richtung Camping Selva de Oza

Wir verlassen diesen schönen Berg und wandern über dichte Wälder und zugewucherte Pfade nach Isaba hinunter. Überall auf Armen und vor allem Beinen haben wir Kratzer von den vielen Dornenbüschen.

Wir kommen an der Ermita de Nuestra Senora de Idoia vorbei. Der Weg führt direkt über das Kirchengelände.

Kloster XXX . Wir sind die einzigen Besucher.
Ermita de Nuestra Senora de Idoia. Wir sind die einzigen Besucher.

Die Ermita scheint verlassen, aber gut, es ist noch früh am Morgen. Die Kirche ist superdunkel, kein Wunder, sie hat kaum Fenster. Langsam knurrt uns der Magen, aber im hübsch angelegten Kirchengarten wollen wir unseren Kocher nicht aufbauen. Also gehen wir weiter und frühstücken auf einer Bank am Wegesrand.

Frühstück am Wegesrand. Manchmal muss man eben improvisieren.
Frühstück am Wegesrand. Manchmal muss man eben improvisieren.

Wir erreichen Isaba und einen gut ausgestatteten kleinen Supermarkt. Wunderbar, hier gibt es so einiges, was wir gerne hätten! Gut aufgefüllt spazieren wir weiter.

Durch die Gassen von Isaba
Durch die Gassen von Isaba. Siehst du die Banane aus meiner Rucksacktasche ragen? 

Laut Führer sollen wir heute ins höhere Gebirge kommen. Wir sind freudig gespannt. Aber zunächst einmal geht es an mehreren Feriencamps vorbei. Kinder und Jugendliche spielen Fußball, Volleyball und andere Spiele. Ihr Geschrei erfüllt das ganze Tal.

Wir lassen die Feriencamps hinter uns und wandern über schöne Wiesen.
Wir lassen die Feriencamps hinter uns und wandern über schöne Wiesen.

Das Wetter ist angenehm, nicht zu warm, nicht zu kalt, der Weg führt sanft ansteigend über sonnige Wiesen, wo zum Glück nicht allzu viele Schafe weiden. Ein sehr steiler Anstieg dämpft die Euphorie etwas, aber auch das schaffen wir. Aber nun kristallisiert sich allmählich ein neues Problem heraus: Die blühenden Wiesen. Die Tochter fängt an zu niesen und zu schniefen. Oje.

Wir sehen die ersten felsigen Berggipfel.
Wir sehen die ersten felsigen Berggipfel. Noch hier die Straße runter, dann muss da der Campingplatz sein.

Wir beschließen, heute mal wieder auf dem Campingplatz zu übernachten. Einfach aus Bequemlichkeit. Aber oh Schreck, als wir ihn erreichen, können wir es nicht glauben. Schafe weiden auf den Stellplätzen und der Platz ist verwaist und verwildert. Der Zeltplatz ist geschlossen.

Na schön. Kann man nichts machen. Wir haben ein bisschen wenig Wasser, aber ansonsten sind wir ja auf solchen Luxus nicht angewiesen. Grimmig wandern wir die Schotterstraße hinter ins Tal. Dort soll irgendwo auf dem Berg ein Refugio sein, neben dem könnten wir doch zelten?

Die Wolken sehen bedrohlich aus, aber es regnet nicht.
Die Wolken sehen bedrohlich aus, aber es regnet nicht.

Das Refugio sei in einem schlechten Zustand, behauptet der Führer. Leider ist er nicht mehr ganz aktuell, wie der geschlossene Campingplatz beweist. So ist es auch mit dem Refugio. Es entpuppt sich als völlig zerfallener Steinhaufen, umweidet von Schafen. Wir kapieren es zunächst gar nicht und laufen auf der Suche nach ihm noch kilometerweit weiter.

Schließlich kapitulieren wir und stellen das Zelt mitten auf der Wiese auf. Die Tochter schnieft und niest.

Eigentlich ein idyllischer Zeltplatz vor grandioser Kulisse
Eigentlich ein idyllischer Zeltplatz vor grandioser Kulisse

So eine Aussicht hätten wir auf dem Campingplatz nicht gehabt. Dafür aber eine Dusche … aber man soll ja immer das Beste aus der Situation machen. So sitzen wir vor dem Zelt, genießen den Sonnenuntergang, als wir plötzlich dumpfes Gebrüll aus den Berghängen über uns hören. Hm. Meine Tochter schnappt sich den Führer und liest vor, in welchen Tälern der Pyrenäen sich Bären aufhalten. Dieses Tal gehört nicht dazu, aber der Führer war heute schon zweimal unzuverlässig … wir schlafen trotzdem ungestört.

Etappe 9 von irgendwo kurz nach Camping Zuriza über Camping Selva de Oza in Richtung Candanchu

Irgendwo auf der Wiese dort unten haben wir übernachtet, aber jetzt geht es bergauf. Kaum sind wir aufgebrochen, wird der Pfad felsig und ausgesetzt.

Steiler felsiger Bergpfad in den Pyrenäen
Ab jetzt ist Klettern angesagt.

Wir schnaufen mit leerem Magen den Berg hoch. Wenn wir frühstücken wollen, müssten wir unser gesamtes Wasser in das Porridge schütten, können wir uns das leisten? Warum kommt denn nirgendwo ein Bach runtergeplätschert?

Wir sehen eine Herde Gämsen. Fasziniert beobachten wir, wie die Tiere nahezu senkrechte Wände hoch- und runterhüpfen. Mühelos. Gemein, sowas. Leider sind sie zu weit weg, als dass ich hier ein vernünftiges Foto hochladen könnte.

Rast auf felsigem Gelände in den Pyrenäen
Frühstück mit Gämsen-Beobachtung

Wir entschließen uns, das Wasser ins Müsli zu gießen und die Gämsen zu beobachten. Es ist unglaublich toll. Die Herde verweilt lange auf der gegenüberliegenden Bergseite. Ach, du kriegst doch ein Foto, du musst eben genau hinsehen!

Eine Steinbock-Herde im Geröllfeld
Eine Gämsen-Herde im Geröllfeld

Ganz erfüllt von dieser Begegnung wandern wir irgendwann weiter. Der Weg führt über einen Pass, wo wir uns doch glatt zum ersten Mal verlaufen. Wir merken es erst nach etwa fünfzehn Minuten, weil plötzlich die Markierungen weg sind.

Zähneknirschend gehen wir zurück. Der Weg führt stattdessen steil nach unten, kreuz und quer über ein Geröllfeld, kein Wunder, dass wir die Markierung verloren haben.

Und plötzlich – hurra, ein Bächlein! Wir gluckern uns die Bäuche voll und weil es hier wunderschön ist, beschließen wir, die Mittagspause vorzuziehen und uns und unsere Wäsche zu waschen. Ist mal wieder dringend nötig.

Bad im Bach in den Bergen
Ein wunderschönes Plätzchen in der Sonne, ideal zum Duschen und Waschen 🙂

Wieder ist alles voll mit Kaulquappen. Ach, man kann die Wäsche auch mal ohne Seife durchspülen. Innerhalb einer Stunde ist alles getrocknet und wir bekommen in dieser Zeit zweimal Besuch. Einmal ein dummer Spanner, der vorgibt, Wasser holen zu müssen (das kann schon sein), sich aber drüben auf den Weg setzt und uns unverhohlen anglotzt. Herrschaften, nicht mal in den Bergen hat man seine Ruhe. Der nächste Besuch ist ein junger Mann aus Belgien, der überhaupt nicht glotzt, sondern sich nett mit uns unterhält und dann weitergeht. Er hat uns schon in Isaba im Einkaufsladen gesehen, erzählt er. Wir regen uns beide über den geschlossenen Campingplatz Zuriza auf, aber in seinem Führer steht immerhin, dass es nicht sicher sei, ob der Campingplatz weiter bestehe und man vorher anrufen solle. Er hat den englischen Führer von Cicerone, der ist aktueller.

Und dann sehen wir tatsächlich noch den Mann mit dem Hund, den wir in Auritz/Burguete zum letzten Mal getroffen haben, als wir mit dem Bus nach Pamplona gefahren sind. Meine Güte, der hat die zwei von uns übersprungenen Etappen im Rekordtempo absolviert. Er hält leider nicht an, bemerkt uns nicht einmal da drüben am Bach und ist bald darauf im Tal verschwunden.

Endlose Wanderung das Tal hinauf unter der Sonne
Endlose Wanderung das Tal hinauf unter der Sonne

Die gewonnene Erfrischung ist schnell dahin. Hier unten gibt es einen Abstecher zum besagten Camping Selva de Oza, aber der geht über 3 Kilometer, die wir uns sparen. Also brechen wir laut Führer Etappe 10 an. Die Sonne brennt, das Tal ist endlos und wir sind einem Sonnenstich nahe. Die Tochter hält dazu noch tausendmal an, um sich die Nase zu putzen. Unser Ziel ist das ‚liebliche Hochtal Aguas Tuertas‘, wie es im Führer heißt. Wir hätten gleich misstrauisch sein sollen! Aber ein Wanderer erzählt uns, man könne dort ganz toll zelten. Wir sind so naiv und glauben ihm (und dem Führer), obwohl er in die gleiche Richtung läuft wie wir und er diese Hochebene also gar nicht kennen kann.

Gegen Abend, als wir endlich das Tal durchquert und den Berg hinaufgestapft sind, finden wir zunächst einmal das Refugio. Dieses Mal existiert es wirklich und so sieht es aus:

Refugio am Hochtal Aguas Tuertas

Es müffelt hier drin und riecht intensiv nach Rauch, aber na gut, wenn es in Strömen regnet, könnte es eine Alternative sein.

Und nun erstreckt sich die besagte Hochebene Aguas Tuertas vor uns:

Die Hochebene Aguas Tuertas
Die Hochebene Aguas Tuertas

Dieses Foto gibt nicht mal annähernd die Masse an Rindern wieder, die in diesem Tal weiden. Es müssen Tausende sein. Manche Wanderer steigen hinab auf die Ebene, wo der Fluss mäandert (schau genau hin), aber uns graust es. Überall Kuhfladen. Nein, hier zelten wir auf keinen Fall.

Noch dazu sind uns die Kühe nicht wohlgesonnen. Viele haben Kälber und gehen drohend auf uns zu, eine verfolgt uns gar mit warnendem Muhen. Auch männliche Jungtiere gibt es, die sich zu Jugendbanden zusammengerottet haben und denen wir weiträumig aus dem Weg gehen.

Das Tal ist riesig und wir brauchen den ganzen Abend, um es zu durchqueren. Erst als wir den Talboden verlassen und höher steigen, wagen wir es, überhaupt an einen Zeltplatz zu denken. Aber noch immer liegen drohende Kuhfladen auf dem Gras verstreut.

Nicht der allerbeste Zeltplatz mitten auf der Wiese
Nicht der allerbeste Zeltplatz mitten auf der Wiese

Hier ist die Kuhfladendichte nicht mehr allzu hoch und Kühe haben wir auch keine mehr gesehen. Da die Sonne bald untergeht, stellen wir uns entnervt mitten auf die Wiese, kochen noch rasch unser Abendessen und verschwinden im Zelt.

Etappe 10 von irgendwo hinter dem Hochtal Aguas Tuertas bis nach Candanchu

Über Nacht kommt Wind auf, fast schon ein Sturm. Ja, gut, wir sind sehr hoch oben im Gebirge. Das Zelt flattert und biegt sich und wir verbringen eine schlechte Nacht.

Entschädigt werden wir am nächsten Morgen beim Anblick dieses Sees:

Der See Ibón de Estanés im Morgenlicht
Der See Ibón de Estanés im Morgenlicht

Hier haben viele übernachtet. Wir sehen reichlich Zelte am Ufer. Aber bis dahin hätten wir es gestern Abend nicht mehr geschafft. Stattdessen frühstücken wir hier oben und genießen die Aussicht.

Noch ein Bild vom See Ibón de Estanés
Noch ein Bild vom See Ibón de Estanés

Ab jetzt beginnen die Probleme. Wir verlaufen uns erneut und dieses Mal richtig. Im Führer wird erwähnt, dass der GR 11 ab hier umgeleitet wurde und seit einigen Jahren (!) statt über Lizara und Canfranc nach Candanchu führt. Man spart dadurch einen Tag. Schön, da haben wir ja nichts dagegen einzuwenden. Leider ist die Markierung dieser Erkenntnis nicht gefolgt, und so wandern wir einen Großteil des Vormittags der Markierung hinterher, die in die falsche Richtung führt. GRRRR.

Also zurück. Doch ab jetzt gibt es – gar keine Markierung mehr. Was soll das? Wir orientieren uns an der Wegbeschreibung, fragen Leute und versuchen die Karte, die wir gottseidank dabei haben, zu interpretieren. Internet-Empfang gibt es nur unzuverlässig.

So kommt es, dass wir auch den Nachmittag mehr oder weniger damit verbringen, den richtigen Weg zu suchen. Immerhin gelangen wir dabei in dieses schöne Flusstal:

Total verirrt …

Und du ahnst es schon, wir waschen mal wieder Wäsche. Uns selbst dieses Mal nicht, das Wasser ist unvorstellbar kalt.

Unsere Stimmung ist im Keller. Noch dazu hat die Tochter mit ihrem Heuschnupfen richtig Atemprobleme und kommt kaum den Berg hoch. So ergibt es sich, dass wir heute Abend hier landen:

Hotel 'Candanchu' mit tollem Balkon
Hotel ‚Candanchù‘ mit tollem Balkon. Frisch geduscht und ohne Pollen im Haar kann sie wieder lachen.

Über Nacht kommt mir die traurige Erkenntnis, dass das so nichts mehr wird. Wir könnten natürlich einen Pausentag einlegen und uns und unsere Laune wieder regenerieren, aber das wird an dem heftigen Heuschnupfen meiner Tochter nichts ändern. Sie hat auch zuhause etwas Probleme, aber bisher hat eine ‚Cetirizin‘ immer gut geholfen. Dieses Mal jedoch nicht. In Ochagavio haben wir in der Apotheke spanische Heuschnupfentabletten gekauft, in der Hoffnung, dass diese besser helfen. Gegen spanische Pollen vielleicht. Aber leider nein.

Abreise

So kommt es, dass wir viel zu früh unsere Wanderung abbrechen. Von Candanchù laufen wir 4,5 Kilometer nach Canfranc, wo es einige Möglichkeiten gibt, den GR 11 abzubrechen. Das ist eben auch zu bedenken. Wären wir weitergegangen, hätten wir mindestens noch 4 bis 5 Tage wandern müssen, um den Weg zu verlassen, denn über die Berge fliegen kann man halt nicht.

Blick zurück auf Candanchu
Blick zurück auf Candanchù

Es gibt wahrlich schönere Orte als Candanchù. Der Skitourismus hat ganze Hänge verschandelt und der Ort ist auf Skitouristen eingestellt. Im Moment ist daher wenig los. Die erste Hälfte des Weges nach Canfranc ist eine GR 11 Variante und die ganze Zeit denke ich, wir könnten … vielleicht … doch noch … weiterlaufen …

Dann kommt der Abzweig und wir verlassen den GR 11 endgültig. So schwer ist es mir noch nie gefallen, eine Wanderung aufzugeben. Auch beim Karnischen Höhenweg mussten wir ja abbrechen, aber das hier ist wirklich traurig für uns beide.

Der historische Bahnhof in Canfranc, heute ein Hotel
Der historische Bahnhof in Canfranc, heute ein Hotel

In Canfranc gibt es mehrere Möglichkeiten, man kann mit dem Zug nach Zaragoza fahren und von dort aus Richtung Westen nach Irun zurück oder nach Osten über Barcelona. Oder man nimmt die Buslinie 550 und fährt ins französische Bedous. So haben wir das gemacht. Dort steigt man in den Zug nach Pau, von wo aus man in verschiedene Richtungen gelangt, in unserem Fall nach Paris. Die Rückfahrt dauerte zwei Tage, wir haben in Pau übernachtet.

Und das war es für uns mit dem GR 11.

Nicht jede Wanderung verläuft so traumhaft, wie man es sich erhofft. Ich – als Schriftstellerin – möchte auf solchen Wanderungen gerne abschalten, dem Alltag entfliehen, die Batterien wieder aufladen, tagträumen, ja auch neue Geschichten erfinden. Das war dieses Mal nicht möglich. Durch das ständige Hin und Her (müssen wir einen Tag opfern, um Schuhe zu kaufen oder geht es vielleicht doch? Vielleicht wird der Heuschnupfen morgen besser? Aber was, wenn nicht? Usw…) sind wir nicht in den ‚Flow‘ gekommen, wie man so schön sagt. Auch wenn ich so im Nachhinein, während ich den Bericht hier schreibe, staune, was wir in den wenigen Tagen doch alles erlebt haben. Eigentlich merkwürdig, habe ich doch schon wesentlich kürzere Wanderungen gemacht, die ich sehr genossen habe. Wahrscheinlich ist es die schiere Länge des GR 11, die einem das Gefühl gibt, nicht mal annähernd losgelaufen zu sein.

Tja, und nun? Werden wir den GR 11 irgendwann beenden? Gut möglich, aber bis dahin wird bestimmt einige Zeit ins Land fließen. Ich lasse es auf mich zukommen.

Gib deinen Namen und deine Email-Adresse an. Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht!. Name and Email fields are required