Von einer Wanderung durch Schweden habe ich schon lange geträumt. Schweden erlaubt durch sein Jedermannsrecht oder „Allemansrätt“, wie die Schweden es nennen, dass man (fast) überall, wo es einem gefällt, sein Zelt aufschlagen darf. Was für eine wunderbare Vorstellung, nachdem wir in England auf dem South West Coast Path unsere Tagesetappen immer an das Vorhandensein von Zeltplätzen anpassen mussten. Wer sich für Wildcamping generell interessiert, sollte mal hier nachlesen.
Wer darf mit?
Nach etwas Gemaule hat sich mein 13jähriger Sohn doch bereiterklärt, an dem Abenteuer teilzunehmen. Meine 15jährige Tochter liebt Trekking sowieso, für sie war es keine Frage. Die beiden jüngeren (9 und 11) ließ ich dann aber doch lieber zuhause beim Papa. Und das war eine weise Entscheidung, wie sich vor Ort herausstellte.
Ob man das nun noch als Wandern mit Kindern bezeichnen darf? Vielleicht Wandern mit Teenagern?
Der Sörmlandsleden
Ich habe mich für den Sörmlandsleden entschieden, weil er relativ leicht zu erreichen ist, die Ostküste von Schweden mehr Sonnenstunden hat als die Westseite, und weil er abwechslungsreich durch Kultur- und Naturlandschaften führen soll. Eine Fjällwanderung im hohen Norden hätte mich zwar auch enorm gelockt, allerdings hätte ich dann eine bessere Ausrüstung für mich und die Kinder gebraucht. Ich dachte mir, „üben“ wir mal erst etwas weiter südlich. Das Fjäll läuft uns hoffentlich nicht weg.
Wie man sieht, sind wir nur einen kleinen Teil des Sörmlandsleden gewandert. Der ganze Weg samt seinen Nebenetappen ist ca. 1000 km lang und somit einer der längsten Wanderwege in Schweden. Da wir nur zwei Wochen Zeit hatten, wollten wir natürlich das schönste Stück herauspicken … ob mir das gelungen ist? Dazu später mehr.
Die Anreise
In das Land der Greta Thunberg wollten wir selbstverständlich nicht mit dem Flugzeug anreisen. Obwohl das natürlich das Einfachste gewesen wäre, und vermutlich auch das Billigere, ich habe es nicht überprüft. Von Düsseldorf wird der Flughafen Skavsta regelmäßig angeflogen.
Da meine Tochter aber darauf bestanden hat und ich mit ihr einer Meinung war, haben wir uns für eine Anreise mit Bahn und Bus entschieden. Bis Hamburg fuhren wir Zug, von dort aus ging es weiter mit einem Flixbus.
Natürlich ist so eine weite Reise anstrengend. Wir fuhren um 8 Uhr morgens los und erreichten Hamburg mit einer Stunde Verspätung (typisch deutsche Bahn, ohne Worte) um 14:36 Uhr.
Bus fahren
Der Flixbus sollte um 17 Uhr abfahren (tat er natürlich nicht, sondern 30 min später) und sollte den Flughafen Skavsta um 6 Uhr morgens am nächsten Tag erreichen.
Aber wir kamen erst mit zwei Stunden Verspätung um 8 Uhr morgens an. Das lag daran, dass an der deutsch-dänischen Grenze ein Mann aus dem Bus gezogen wurde und nicht weiterreisen durfte. Überhaupt war das Busfahren spannend: Ein besoffener Fahrgast, der Cola über seinen Sitz schüttet, Leute, die stundenlang bis nachts um drei telefonieren, Kinder, die sich regelmäßig übergeben … aber auch jede Menge normale, nette Leute. Da die Busfahrt so lange dauerte, war es ganz amüsant, so abgelenkt zu werden. Ich würde jederzeit wieder Flixbus fahren!
Wo einsteigen in den Sörmlandsleden (bzw. wo wieder aussteigen)?
Du siehst schon, Skavsta ist ein idealer Startpunkt für den Sörmlandsleden. Andere Startpunkte wären gewesen: Natürlich Stockholm, der Pfad geht direkt mit Etappe 1 aus der Stadt heraus.
Katrineholm wäre auch nicht schlecht gewesen, oder Södertälje. Aber da ich gerne die Ostsee sehen wollte, habe ich mich für Skavsta bzw. Nyköping entschieden.
Diese Startpunkte sind natürlich günstig, wenn man mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist. Hat man ein Auto zur Verfügung, kann man selbstverständlich auch anderswo starten – allerdings enden viele Etappen mitten im Wald, sodass man sich vorher informieren sollte.
Als Endstation hatte ich für uns entweder Stavsjö oder Katrineholm vorgesehen. Je nachdem, wie schnell wir wären. Irgendwo dazwischen auszusteigen wäre mit öffentlichen Verkehrsmitteln, auf die wir ja angewiesen waren, sicherlich nicht so einfach gewesen.
Es stellte sich schnell heraus, dass unser Endpunkt Stavsjö sein würde. Katrineholm hätten wir nur unter höchsten Anstrengungen erreicht und mit strikt durchgeplanten Tageskilometern – und das wäre nicht Sinn der Sache, die Tour sollte ja auch noch Spaß machen.
Nyköping
Zum allerersten Mal bin ich ohne Karte im Gepäck aufgebrochen. Falls du diesen Artikel nicht gerade aktuell liest – 2020 herrschte das Corona-Virus. Die Reisewarnung für Schweden war genau 14 Tage vor unserem Aufbruch aufgehoben worden. Ich war mal wieder völlig überfordert mit der überstürzten Reiseplanung, da ich mich eigentlich schon damit abgefunden hatte, dieses Jahr nicht nach Schweden zu können.
Wir trafen also ohne Karte in Nyköping ein. Es wäre aber kein Problem gewesen, eine zu kaufen. So war jedenfalls mein Plan – wenn es nicht ausgerechnet ein Sonntag gewesen wäre.
Natürlich ist mir das nicht erst in Nyköping aufgefallen 🙂 , aber immerhin erst auf der Reise. Anscheinend war ich völlig verpeilt. Na schön, jammern hilft auch nicht, was also tun?
Wir vertrieben uns die Zeit, bis das Tourismusbüro um 12 Uhr öffnete. Auch die Supermärkte machten auf – nur die Buchhandlung nicht. Die Dame vom Tourismusbüro drückte mir zwei Flyer in die Hand und meinte, damit würde ich klarkommen. Der Weg wäre bestens ausgeschildert.
Die Wegbeschreibung und Wegmarkierung des Sörmlandsleden
Sie hatte recht. Das wusste ich zwar auch schon von verschiedenen Internetseiten, sonst hätte ich mich nicht darauf eingelassen und lieber bis zum nächsten Tag gewartet, bis die Buchhandlung öffnete.
Aber dennoch. Ich kann es wirklich niemandem empfehlen, so unvorbereitet wie wir loszumarschieren. Daher möchte ich hier ein paar Möglichkeiten aufzählen, wie du an Kartenmaterial herankommst.
Da wäre zum einen, die Karte im Voraus zu kaufen. Diese da bietet sich für den Sörmlandsleden an. Sie ist recht teuer, finde ich, aber im Buchladen in Nyköping war sie auch nicht billiger. Sie lag im Schaufenster … unerreichbar für uns.
Was aber eigentlich noch besser gewesen wäre: Du könntest Mitglied werden im Sörmlandsleden-Förderverein – das ist sogar billiger als die Karte und unterstützt noch den Erhalt des Weges. Dann kannst du dir alle Abschnittskarten bequem zuhause ausdrucken oder offline abspeichern. Ich habe mich sehr geärgert, dass ich das nicht gemacht habe.
Was das Problem für uns ohne Karte war
Der Sörmlandsleden ist hervorragend markiert. Insofern hatte die Dame im Tourismusbüro recht. Sich zu verlaufen ist quasi unmöglich. Alle paar Meter sind Bäume oder Felsen orange markiert – an Farbe haben die Wegemacher wirklich nicht gespart. Ein sehr beruhigendes Gefühl.
Natürlich haben wir bei jedem Etappenwechsel die Wegkarten abfotografiert. Was blieb uns anderes übrig – aber man kann sich nicht immer darauf verlassen, dass die Etappenkarten unbeschädigt sind. Die allermeisten waren jedoch leserlich.
Aber für die Planung ist so ein Vorgehen ein Desaster. Die Shelter, also die Rastplätze mit der kleinen Hütte, waren darauf eingezeichnet, sowie die Quellen. Und die Quellen sind sehr, sehr wichtig. So kann man leider nicht mehr als ein paar Kilometer im Voraus planen.
Die Shelter am Sörmlandsleden
Wie schon erwähnt, darf man in Schweden anders als in Deutschland fast überall unbehelligt sein Zelt aufstellen.
Aber das ist gar nicht so einfach wie es sich anhört. Man muss erst einmal einen halbwegs ebenen, glatten und von der Größe her passenden Flecken Erde finden – auf dem Sörmlandsleden kaum machbar. Der Boden ist entweder zugewachsen mit Gras, Gestrüpp und natürlich Bäumen, oder er ist unglaublich felsig und mit Wurzeln übersät. Keine Chance, ein Zelt aufzuschlagen, nicht einmal so ein kleines wie unseres. In der Realität hieß das für uns, dass wir trotz aller vermeintlichen Unabhängigkeit doch wieder auf die ausgewiesenen Rastplätze angewiesen waren.
Auf den Rastplätzen haben wir dennoch unser Zelt aufgeschlagen, wegen den Stechmücken. Es waren zwar weniger als wir befürchtet hatten, aber für eine unruhige Nacht reicht ja schon einer dieser Quälgeister.
Ganz wunderbar war die Sauberkeit und Ordnung dieser Rastplätze. Es gab überall Besen zum Ausfegen der Shelter, Bratpfannen, Schaufeln und Äxte zum Holzhacken. Nichts war demoliert, alles an seinem Platz und es lag kein Müll herum. So sollte es sein.
Dennoch haben wir an einigen Stellen wild gezeltet. So zum Beispiel in unserer ersten Nacht in Schweden, da waren wir noch völlig geschockt, dass wir keine Karte hatten, irgendwie übermüdet von der langen Busfahrt und haben daher nicht kapiert, dass auf unserer Wegstrecke, die wir aus Nyköping heraus gewählt hatten, kein Shelter eingezeichnet war. Wir waren überzeugt, dass an jedem Etappenende ein Shelter käme – das ist aber nicht so!
Wir wanderten und wanderten und wunderten uns – bis wir einsehen mussten, dass da kein Shelter kommen würde. Und es ist sehr interessant, wie manche Glaubenssätze doch tief in einem stecken – obwohl wir wussten, dass wir unser Zelt aufstellen durften, zogen wir uns verstohlen in eine uneinsichtige Ecke auf einem Hügel zurück und achteten darauf, dass wir vom Weg aus nicht zu sehen waren. Später gewöhnten wir uns daran, nachdem wir gesehen hatten, dass die Schweden ihre Zelte unerschrocken direkt neben Parkplätzen und Wegen aufschlugen. Aber so am Anfang war das doch ein seltsames Gefühl.
Unser erstes Zeltlager auf dem Sörmlandsleden. Ich stelle fest, dass das Zelt auch ohne Zelthaken stehen kann – auf glattem Felsboden. Eine andere Möglichkeit zum Zelten gibt es nämlich nicht.
Die Verpflegung
Viele Einkaufsmöglichkeiten gab es auf diesem Abschnitt des Sörmlandsleden nicht. Da ich das zum Glück wusste, habe ich so allerhand von zuhause mitgebracht.
Übrigens habe ich mir einen neuen Kocher gekauft – einen Trangia Sturmkocher. Das ist ein Spirituskocher (passenderweise aus Schweden), den ich als kleineres Modell schon mit in England dabei hatte. Irgendwie bleibt man doch beim Altbewährten … möglicherweise wäre ein Gaskocher leichter gewesen, aber naja. Dieser hier ist größer und für gefräßige Teenager genau richtig.
Morgens gab es Müsli, mit Wasser aufgekocht, in genau drei Sorten – Beere-Nuss, Beere-Banane und Schoko. Von mir selbst zusammengemischt und für jeden Tag portioniert. Allerdings habe ich nicht mit dem gewaltigen Appetit meiner Kinder gerechnet – die wollten doch glatt mehr als die ihnen zustehende Portion. Da ich aber die lange Wegstrecke nach Katrineholm schon ziemlich früh aufgegeben hatte, war das kein Problem. Sollten sie sich ruhig rund essen. In Nyköping könnten wir unsere Vorräte wieder auffüllen.
Mittags gab es allerlei Schnickschnack, z.B. Äpfel, Bananen, hartgekochte Eier, Käse, Biltong (das ist so eine Art Trockenfleisch) – ja, ich weiß, echte Trekker hätten so schwere Sachen niemals mitgenommen. Aber ich musste schließlich zwei hungrige Teenager satt und vor allem zufrieden kriegen! Das ist mit nur Trockennahrung fast nicht möglich. Um kein Gemecker zu hören, musste ich eben schleppen.
Das tägliche Highlight gab es auch zum Mittagessen – einen Müsliriegel. Wir haben sage und schreibe 48 Müsliriegel mitgeschleppt. Für jeden Tag einen und einen Tag zwei. Diesen doppelten Hochgenuss haben wir uns aber bis fast ganz zuletzt aufgehoben.
Abends gabs wahlweise Spaghetti, Reis-, Hirse- oder Buchweizenflocken mit gut gewürztem Trockengemüse. Naja. Diese Art der Trekkingnahrung haben wir schon auf der Steigerwald-Tour ausprobiert und für einigermaßen tauglich befunden. Es ist jedenfalls schön heiß gekocht und macht satt.
Nahrung am Wegesrand
Der Sommer ist die Zeit der Beeren. In Schweden gibt es eine Menge Beeren, auch solche, die mir vorher völlig unbekannt waren.
Alpen-Johannisbeeren
Oder hast du jemals von Alpen-Johannisbeeren gehört? Was sie hier oben in Schweden zu suchen haben – keine Ahnung. In den Alpen habe ich sie auch noch nicht gesehen.
Die Blätter sehen tatsächlich nach Johannisbeeren aus, aber der Geschmack ist völlig anders. Ich finde, sie erinnern an Rote Grütze. Die Kinder mochten sie nicht so besonders – ich aber schon.
Rauschbeere
Dann gibt es da noch die Rauschbeere. Oder Trunkelbeere. Sie heißt so, weil sie psychotrope Substanzen enthält beziehungsweise rauschartige Zustände hervorrufen soll. Das konnten wir aber nicht feststellen, obwohl wir sie intensiv getestet haben.
Wieso haben wir uns getraut, uns völlig unbekannte Beeren zu essen? Ganz einfach, es gibt da so eine App …
Sie heißt Flora incognita und ich kann jedem Pflanzenfan einfach nur raten, sie herunterzuladen. Einfach ein Foto von der Pflanze, dem Baum oder dem Strauch machen und sofort alles Wissenswerte über dieses Gewächs erfahren. Das ist mal eine App, die mir wirklich gefällt und die ich sehr nützlich finde. Natürlich habe ich ihre Zuverlässigkeit schon vorher ein wenig getestet und war zufrieden.
Heidelbeeren
Heidelbeeren erkenne ich aber auch ohne App. Und die gab es in Massen. Der ganze Waldboden war zugewuchert mit üppig tragenden Heidelbeerpflanzen – das war der Knall im All. Wir hatten den ganzen Tag blaue Finger und Münder und wir haben verschiedene Techniken entwickelt, beim Gehen die kleinen Beeren zu pflücken. Denn mit dem schweren Rucksack bückt man sich nicht eben so leicht. Also macht man bei jedem dritten Schritt einen kleinen Knicks … es muss ungeheuer blöd ausgesehen haben.
Mitten im einsamen Wald trafen wir auf einmal auf ein Pärchen, welches emsig am Pflücken war. Und sie hatten solche Geräte dabei.
So etwas hatte ich bis dahin noch nie gesehen. Man streift quasi die Beeren mit dem Kamm vom Strauch ab und sie fallen in das Behältnis. Sehr effektiv, wie mir der Mann versicherte. Das war glaubhaft, denn die beiden hatten schon ganze Körbe voll Heidelbeeren. Man könnte die Heidelbeerkämme in jedem Supermarkt kaufen.
Das haben wir natürlich nicht getan. Mittlerweile sagte mir auch jemand, dass diese Kämme in Deutschland in Naturschutzgebieten verboten sind, nicht nur um die Pflanzen zu schützen, sondern auch, damit die Tiere noch genug zum Fressen übrig haben. Aber in Schweden? Haha, ich glaube nicht, dass man den Wald auch nur zu einem Bruchteil von seinen Heidelbeeren säubern könnte. Und wenn man den Kamm vorsichtig benutzt, nimmt die Pflanze auch keinerlei Schaden.
Himbeeren
Auch für Himbeeren brauchten wir keine App. Und ich weiß nicht, was in Schweden für Himbeeren wachsen, aber dagegen konnten jedenfalls meine im Garten einpacken. Es war eine Geschmacksexplosion im Mund, und wir wurden alle drei regelrecht süchtig. An jeder Himbeerhecke mussten wir Halt machen.
Brombeeren gab es auch, aber die waren größtenteils noch nicht reif. Da sieht man doch mal, dass die Natur in Schweden etwas hinterherhinkt.
Pilze
Pilze haben wir nicht gepflückt. Leider kenne ich mich hier gar nicht aus, aber falls du es tust, kannst du dir locker ganze Mahlzeiten aus verschiedenen Pilzen zubereiten.
Hier mal ein paar Fotos, aber ich habe keine Ahnung, was das für welche sind und ob sie essbar sind. Es gab natürlich noch etliche andere Arten, aber den einzigen Pilz, den ich erkannt habe, das war ein Fliegenpilz … ich habe ihn aber nicht fotografiert.
Sind sie nicht alle drei wunderhübsch?
Wasserversorgung und Quellen am Sörmlandsleden
Die Versorgung mit Trinkwasser ist ein wichtiges Thema auf dem Sörmlandsleden. Sollte am Ende der Tour der Unterstand an einem See liegen, ist alles gut. Wir haben das Wasser meist zur Sicherheit gefiltert, aber nicht immer. Einmal waren wir so ausgedörrt, dass wir in den See gesprungen sind und den ersten Liter einfach so getrunken haben. Wir haben es überlebt.
Den Seen in diesem Gebiet wird allgemein eine gute Wasserqualität bescheinigt. Das Wasser enthält natürlich Schwebteilchen und ist irgendwie auch von einer undefinierbaren Farbe, aber durchaus trinkbar. Der Geschmack nach See rundet das Outdoor-Erlebnis eben ab.
Entlang des Weges finden sich aber auch einige Quellen.
Das Wasser aus diesen Quellen haben wir immer so getrunken. Es war klar, eiskalt und hat gut geschmeckt. Das war etwas anderes als das Seewasser!
Källa heißt Quelle und Vatten heißt Wasser. Zwei sehr wichtige schwedische Wörter, die wir gleich am Anfang gelernt haben.
Denn gerade im Bereich der Ostsee gibt es wenig Möglichkeiten, an Wasser zu gelangen.
Es hat weniger Seen, und Bäche haben wir auch kaum welche gesehen.
Auch die Quellen finden sich eher im Landesinneren. Bei einigen Etappen mussten wir Wasser für fast zwei Tage mitschleppen, das war dann nicht so lustig. Und da wir keine Karte hatten, auf der die Quellen eingezeichnet gewesen wären, wollten wir lieber auf Nummer Sicher gehen.
Aber es gibt auch immer so wunderschöne Momente auf Trekkingtouren. Ich habe das auf jeder Tour erlebt, dass die Menschen so ungeheuer freundlich und hilfsbereit waren.
Schau mal hier, ist das nicht unglaublich nett? Und der gleiche Eimer mit je zwei Wasserflaschen war auch auf der anderen Seite des Hauses …
Das ließen wir uns nicht zweimal sagen und nahmen sicherheitshalber eine Flasche mit. Man weiß ja nie.
Die Wegbeschaffenheit des Sörmlandsleden
Ich habe schon erwähnt, dass wir uns die längere Tour bis nach Katrineholm schnell aus dem Kopf schlugen.
Die Gegend rund um Nyköping wirkt von weitem gesehen flach. Größere Hügel oder gar Berge sind kaum auszumachen. Das heißt für den Wanderer leider aber gar nichts, denn der Wald ist eine einzige riesige Buckelpiste, gezeichnet von Löchern, Felsen, Gräben, Erhebungen und Senken.
Noch dazu ist der Pfad meistens von Steinbrocken und Wurzeln gewaltigen Ausmaßes übersät, sodass das Gehen zusätzlich erschwert wird. Kleine Buckelchen auf den großen Buckelchen, sozusagen.
Vielleicht kannst du dir jetzt vorstellen, dass die Geschwindigkeit, mit der wir vorankamen, nicht besonders groß war.
Und natürlich kostet es einen Haufen Kraft, ständig auf und ab zu gehen und dazu noch von Stein zu Stein zu Wurzel zu hüpfen. Vielleicht haben die Kinder deshalb so viel gefuttert?!
Zugegeben, der Weg war nicht immer so krass wie auf dem Bild oben.
Es gab auch ebene, glatte Stellen. Aber selten.
Besonders steil und steinig war es an der Küste. An den ganz abschüssigen Stellen gab es hin und wieder ein Seil zum Halten.
Das sieht jetzt gefährlicher aus als es war. Ich hatte eher Angst, dass sich einer von uns den Fuß verstaucht oder gar bricht, wegen den vielen Steinen und Wurzeln. Das ist aber zum Glück nicht passiert.
Leider gab es auch eher öde Wegabschnitte, so wie diesen hier.
Das sieht jetzt nicht so schön aus. Die Sonne hat heruntergebrannt und es war wirklich kein Vergnügen, durch solche abgeholzten Stellen zu laufen. Leider gab es die öfters mal, sei es, um Platz für Stromtrassen zu schaffen oder so ein flächiges Rodungsland wie hier.
Bademöglichkeiten
Seen und Meer – man sollte meinen, der Sörmlandsleden wäre das Badeparadies schlechthin.
Ja und nein.
Stellen, an denen man schön baden kann, gab es zumindest auf diesem Abschnitt des Sörmlandsleden selten. Notgedrungen hüpften wir an unserer Übernachtungsstelle ins Meer – aber das war kein Vergnügen. Man stand knietief in Algen, die Felsen waren rutschig und überall auf dem Meeresboden waren Löcher und Untiefen. Quallen gab es auch. Um richtig zu schwimmen, hätte man sehr weit rauswaten müssen. Fast unmöglich.
Leider hatten wir auch Pech und ausgerechnet die Tage, die wir an der Küste entlanggelaufen sind, waren wolkenverhangen und eher kühl. So hatten wir auch an den wenigen „Stränden“ – man kann sie fast nicht so nennen – keine Lust zu schwimmen.
Die Seen waren meistens nicht viel besser. Oder wir waren zu empfindlich, wer weiß?
Hier hatten wir einen 22 km langen Gewaltmarsch hinter uns und dies war der allererste See auf unserer Wanderung. Wir waren verschwitzt und müde, da dachten wir nicht groß nach. Rein ins kühle Nass …
Aber hier an diesem See waren wir schon skeptischer. Das Wasser in allen Seen, die wir gesehen hatten, war sehr schwarz und undurchsichtig. Das war schon etwas gruselig … es kommt natürlich daher, dass wir uns hier hauptsächlich in sumpfigem Gelände befinden.
Noch dazu sind es wirklich naturbelassene Seen und nicht als Badeseen gedacht. Also mit Schlamm, Schlick, Schilf, toten Ästen etc. Der Seeuntergrund ist alles andere als eben. Es gibt kaum Stellen, an denen man überhaupt an das Ufer herangelangen kann. Und natürlich fühlt sich auch so allerhand Getier hier richtig wohl …
Aus diesem See sind wir schnell wieder herausgesprungen. Vor allem ich. Denn an meinem Fuß hing ein Blutegel.
Zum Glück ließ er sich ganz einfach abstreifen. Nur die Bissstelle hat noch ziemlich lange nachgeblutet.
Nach dem ersten Schreck war ich ganz froh, dass er an meinem Knöchel hing und nicht an einem der Kinder. Ich glaube, die wären nie wieder in einem See baden gegangen …
Zur Strafe habe ich den Übeltäter gleich mal zu Anschauungszwecken eingefangen und seinen Komplizen gleich mit. Sie sind erstaunlich groß, enorm flexibel in ihrer Form und können sogar über Land gleiten.
Danach standen wir stundenlang am Ufer und beobachteten die vielen, vielen Blutegel, die munter im Wasser umherglitschten. Es war sozusagen ein Wunder, dass nur ich einen abbekommen habe.
Dazu muss man aber sagen, dass sich der Blutegelsee in einem Naturreservat befand. An anderen Seen wird viel gebadet und ich glaube nicht, dass alle Schweden mit Blutegeln behangen herauskommen. Nichtsdestotrotz kann man die Seen in Schweden nicht mit unseren Seen in Deutschland vergleichen, die ja schon fast klinisch sauber sind.
Richtig geschwommen sind wir also nicht in diesen schwarzen unheimlichen Seen. Bei Sonnenlicht sehen sie von oben so freundlich aus, aber wer weiß schon, was sich in ihren dunklen Tiefen verbirgt?
Tiere am Sörmlandsleden
Tja, leider haben wir keinen einzigen Elch gesehen. Das hatte ich auch nicht erwartet, aber erstaunlich fand ich trotzdem, dass wir kein einziges größeres Tier zu Gesicht bekommen haben. Kein Reh, kein Fuchs, überhaupt nichts. Man hat sie nicht einmal nachts gehört, denn in der Nacht herrschte eine unglaubliche Stille. Sogar die Nachtvögel haben selten mal ein weit entferntes Rufen zustande gebracht.
Dafür haben wir Schlangen gesehen, Kröten und haha, Blutegel. Und natürlich Insekten.
Fazit zum Sörmlandsleden
Wer Ruhe und Einsamkeit liebt, ist auf dem Sörmlandsleden genau richtig. Wir haben kaum andere Wanderer getroffen. Natürlich weiß ich nicht, ob das der Corona-Pandemie geschuldet ist. In den Gästebüchern, die in den Sheltern auslagen, haben sich fast nur Schweden aus dem Großraum Stockholm eingetragen. Wie auch immer, wir marschierten durch einen stillen, einsamen Wald, die Luft flirrte unter der gleißenden Sonne und wir hatten das Gefühl, die einzigen Menschen auf dieser Erde zu sein.
Ich muss sagen, es ist etwas anderes, wenn man so durch die Einsamkeit trottet. Sicherlich war die Zivilisation nie weit weg, es gab Häuser, kleine Siedlungen, Straßen. Dennoch hatte man die Illusion, tief in der Natur zu stecken. Fernab von jedem Supermarkt, Café und sonstiger Infrastruktur stellte sich ein ganz anderes Gefühl ein – man hatte das Gefühl, auf sich selbst angewiesen zu sein, abhängig von dem Essen, das man im Rucksack mit sich trug und davon, jeden Tag Wasser und einen Schlafplatz zu finden. Eine eigentümliche Empfindung, die man sicherlich in unserer westlichen Welt selten spürt.
Noch etwas möchte ich erwähnen: Die absolute Stille. Es ist so ungewohnt, wirklich gar nichts zu hören. Ich saß abends um 21 Uhr am See, guckte übers Wasser und hörte nur das Rauschen in den eigenen Ohren. Kein Auto, kein Straßenlärm, kein Flugzeug, kein Kindergeschrei, absolut GAR NICHTS. Allenfalls mal ein Wasservogel, der piepte. WOW. Kennt das überhaupt noch jemand?
War die Wanderung spektakulär? Nun, man sieht jeden Tag Wälder, Felsen und Heidelbeeren, Seen und das Meer. Sicherlich ist der Weg auf seine Art abwechslungsreich, aber dennoch dominieren die Bäume. Auf der einen Seite ist es ein eintöniges Dahintrotten, auf der anderen Seite aber eine grandiose, fast unberührte Natur, die einem seltsam packt.
Für den 13jährigen war es natürlich irgendwann langweilig. Immer nur Wald. Das war auf dem South West Coast Path in England ganz anders, dort waren viel mehr Leute unterwegs, es gab Dörfer und Städte, Kultur und Natur gleichzeitig.
Mich jedoch hat eine unbändige Lust gepackt, diesen Weg – oder einen anderen, der vielleicht noch weiter weg von der Zivilisation führt – einmal alleine zu gehen. Der Blick richtet sich langsam aber stetig von außen nach innen, es kommen Gefühle und Gedanken hoch, die man so kaum von sich kennt. Die Konzentration auf das Wesentliche – Nahrung, Schutz vor dem Wetter, ein sicherer Schlafplatz – lässt alles andere unwichtig erscheinen.
Um ehrlich zu sein, würde ich für eine Wanderung mit Kindern doch eher den South West Coast Path in England empfehlen. Es sei denn, deine Kinder sind ausgesprochen naturbegeistert, so wie meine Tochter. Nicht falsch verstehen. Ich für meinen Teil war absolut begeistert, und ich bin sicher nicht zum letzten Mal in Schweden gewesen. Aber für meinen 13jährigen Sohn war die Wanderung wohl zu einsam und zu entbehrungsreich, was das Essen angeht. Ihr hättet ihn sehen sollen, als er auf dem Campingplatz auf der Halbinsel Arnöhalvön eine Pizza gegessen hat. So verzückte Augen!
Die Statistik
Ich bin ja ein Fan von Statistiken, daher liste ich hier mal wieder einige Daten auf.
Das Gewicht unserer Rucksäcke
Gestartet ist mein Sohn mit 10,5 kg, meine Tochter mit 11,4 kg und ich mit 16, 3 kg. Das hört sich jetzt viel an und das war es auch. Bedenke aber, dass wir das Essen für die gesamte Tour mit uns schleppen mussten, noch dazu trug jeder eine 0,8 kg schwere Wasserflasche.
Die Strecke
Die Strecke von Nyköping bis Stavsjö betrug laut Etappenplaner 108 km, die wir in 10 Tagen liefen. Hm. Ein echt kläglicher Streckendurchschnitt.
Da von Stavsjö keine vernünftige Busverbindung nach Nyköping zu kriegen war, riet uns ein Imbissbudenbesitzer, nach Krokek zu laufen. Das waren noch einmal 6 km.
An den verbliebenen 3 Tagen wanderten wir noch ca. 24 km auf die Halbinsel Arnöhalvön hinaus. Dort faulenzten wir einen Tag lang am Meer.
Insgesamt wanderten wir also in den zwei Wochen ca. 138 km.
Die Kosten
Die sind eigentlich schnell aufgezählt. Für die Unterkunft zahlten wir exakt – nichts. Außer der Anreise und einige Einkäufe hatten wir sonst keine Kosten. Da wir zu Corona-Zeiten unterwegs waren, mieden wir den Aufenthalt unter größeren Menschenmassen und verzichteten daher auch schweren Herzens auf einen Besuch in Stockholm oder Kopenhagen. Schade, aber so ist es nun mal. Die Bus- und Bahnfahrten waren riskant genug.
Transport
Die Fahrt mit dem Zug nach Hamburg kostete uns 102,30 €. Mit dem Flixbus weiter nach Skavsta Airport kostete 180,97 €.
Der Flixbus zurück nach Hamburg via Kopenhagen kostete 185,67 €. Die Fahrt von Hamburg nach Zuhause kostete 81,30 €.
Witzigerweise wollte der Busfahrer von Skavsta nach Nyköping kein Geld. Ich hatte keine schwedischen Kronen und wollte mit Kreditkarte bezahlen, das war ihm wegen Corona zu unheimlich. Also durften wir umsonst fahren. Zurück sind wir gelaufen – aber das kann ich nicht empfehlen. Große Teile des Sörmlandsleden führen hier direkt an der Autostraße entlang.
Von Krokek bis nach Nyköping betrugen die Fahrtkosten für mich 55 SEK, die Kinder jeweils 5 SEK. Insgesamt also 65 SEK, das sind umgerechnet etwa 6,27 €.
Die Transportkosten insgesamt betrugen also 556,51 €.
Einkaufen
Ins Restaurant gingen wir nicht, lediglich auf dem Campingplatz in Strandstugeviken wollten die Kinder Pizza, Pommes und Eis essen – Kostenpunkt 208 SEK, umgerechnet 20,05 €.
In Nyköping, Nävekvarn und Kopenhagen (auf der Rückreise) kauften wir für umgerechnet 166,29 € + 32,10 €+ 10,21 € = 208,60 € ein.
Zusätzlich musste ich eine Schnalle am Rucksack meines Sohnes ersetzen, aber die kostete nur 49 SEK = 4,72 €.
Die Einkaufskosten insgesamt betrugen also 233,37 €.
Gesamtkosten der Reise
Die Gesamtkosten unserer zweiwöchigen Reise nach Schweden betrugen also 789,88 €.
Na, da kann man nicht meckern. Dass die Reisekosten bei dieser Reise mit Bus und Bahn deutlich höher sind als damals die Flugreise nach England, ist schade. Vor allem, wenn man, wie ich glaube, mit dem Flugzeug auch hier weniger bezahlt hätte. Skavsta wird ja von einer sogenannten Billigflug Airline aus Düsseldorf angeflogen.
Wer wissen will, warum wir diesen Aufwand mit Bus und Bahn auf uns genommen haben (wir waren mehr als 24 h nonstop unterwegs), kann in dieses Buch hineinlesen:
Die unbewohnbare Erde: Leben nach der Erderwärmung von David Wallace-Wells.
Mit dieser Literaturempfehlung will ich diesen langen Reisebericht jetzt aber beenden. Bisher habe ich keine konkreten Pläne für eine nächste Wanderung, aber es wird eine kommen. Ganz bestimmt.
P.S. Die Jungs von trekkinglife.de sind eine ähnliche Runde gelaufen wie wir. An ihnen habe ich mich teilweise auch orientiert. Ihren sehr lesenswerten Bericht findet ihr hier.
Falk Morgenstern
August 1, 2021 at 10:11pmHallo Steffi,
zuerst einmal natürlich Respekt für diese gut recherchierte und wundervoll geschriebene Seite. Aber du bist ja auch Schriftstellerin. Aktuell habe ich mein Ränzlein geschnürt (17kg), da es kommenden Samstag nach Schweden geht -auf den Sörmlandsleden von Handen bis etwa Katrinenholm. Letztes Jahr in Schweden (Kungsleden nord) ging eigentlich fast nichts bar zu bezahlen. Die Busfahrer hatten das Terminal auf der Treppe am vorderen Einstieg stehen und man stieg dann hinten ein. In 2015 hat mich mal ein Fahrer in der Nähe von Udevalla für lau mitgenommen, da damals meine Karte das schwedische Bezahlsystem nicht unterstütz hat. In Verkehrsmitteln hatte ich nur einmal eine lustige Begebenheit. Auf meinem Rückweg vom JMT haben sich während der Fahrt von Reno nach San Francisco im Greyhound zwei dicke farbige Damen geprügelt. Anlass war wohl ein kleiner Hund. Die beiden Damen haben dann SF nicht mit diesem Bus erreicht. In Schweden ist doch alles gut organisiert, sauber und entspannt.
Mein Wander Freund Claus ist des Öfteren mit seinen Enkelinnen (6 und 12) in Norwegen unterwegs (Hardangervidda) und die kleinen Damen überstehen die Reisen auch bei schlechterem Wetter ohne Murren. Aber sicher sind hier Frauen einfach anders.
Dann weiterhin frohes Wandern mit Kindern.
Wir gucken uns dann mal den Sörmlandsleden an. Vielleicht treffen wir ja Pippi Langstrumpf. 🙂
Falk.
Steffi
August 2, 2021 at 12:37pmHallo Falk,
ah, der Kungsleden! Der wäre auch noch mein Traum … irgendwann mache ich das. Ich wünsche dir eine tolle Zeit auf dem Sörmlandsleden, bestimmt seid ihr auch dieses Jahr wegen Corona ziemlich einsam unterwegs. Das hat mir damals sehr gefallen – also die Ruhe, meine ich 🙂
Vielen Dank für deinen lieben Kommentar.
Steffi