Vor einiger Zeit schrieb ich über Testleser und meine Erfahrungen mit ihnen. Nun ist mein nächstes Buch soweit, dass ich in der Testleserphase bin.
Und wie das so ist, erweitert man sein Wissen und verbessert seine Strategien.
Daran möchte ich dich teilhaben lassen.
Die Auswahl der Testleser
Letztes Mal ging mein Roman – die Drachenland-Saga Teil 1 für Jugendliche ab 12 Jahren – an insgesamt 3 Jugendliche, 1 Verwandte unter 40 Jahren und 2 Verwandte über 65 Jahren. Dann noch an 2 fremde Testleserinnen.
Nun war dies das erste Buch, das ich zur Veröffentlichung testlesen ließ. Dementsprechend war das Interesse unter der Verwandtschaft groß, dieses Buch zu lesen. Natürlich waren alle Testleser – außer den Jugendlichen – genrefremd.
Wie ich in meinem ersten Artikel dargestellt habe, muss dies nicht unbedingt negativ sein. Ich habe sehr hilfreiche Kommentare und Hinweise bekommen.
Allerdings möchte ich dieses Mal doch lieber schwerpunktmäßig an Testleser schicken, die das Genre mögen. Das sollte in diesem Fall kein Problem sein, denn es ist ein Frauenbuch 🙂 Aber es hat noch andere, nämlich folgende Gründe:
Warum ist es sinnvoll, Testleser zu rekrutieren, die das Genre mögen?
- Ich erhoffe mir noch ausführlicheres Feedback. Jemand, der hauptsächlich Krimis liest, hat nunmal zu einem Jugendbuch weniger zu sagen als zu einem Krimi, weil er dort vielleicht vor Begeisterung übersprudelt, während er mit einem Jugendbuch nun mal weniger anfangen kann. Das ist einfach so und überhaupt nicht wertend gemeint. Ich kann es nur nochmal betonen: Wenn du niemanden anderen hast außer der genrefremden Verwandtschaft, musst du sie dir halt „hinbiegen” und nach Feedback bohren. Das klappt auch!
- Ich erhoffe mir spezielleres Feedback. Jemand, der mit dem Genre vertraut ist, gibt andere Kommentare ab als Fremdleser. Meine Jugendlichen haben auf andere Dinge Wert gelegt als die Erwachsenen.
Allerdings: Speziell beim Jugendroman würde ich nicht ausschließlich auf die Jugendlichen setzen. Sie können dir natürlich wertvolle Tipps zur Handlung geben, aber die meisten werden natürlich wenig auf Spannungsbögen, plausible Charakterdarstellung und solche speziellen Dinge achten. Obwohl viele ein natürliches Gespür dafür haben, das konnte ich auch feststellen.
Noch ein Aber: Genrefremde Leser haben eine völlig andere Sichtweise auf den Text und können dir erstaunliche Dinge sagen, auf die du selbst und deine genretypischen Testleser nie gekommen wären. Von daher: Wenn sich jemand Genrefremdes als Testleser anbietet, greif zu!
Noch eine Änderung
Das letzte Mal hatte ich meinen Testlesern einfach nur gesagt, sie sollten mir mitteilen, was ihnen so auffällt. Das habe ich aus dem Grund gemacht, weil ich wissen wollte, wie der Text generell ankommt. Wie fanden sie den Text? Was springt ins Auge? Ich wollte die Testleser nicht beeinflussen durch irgendwelche suggestiven Fragen. Außerdem hatte ich gerade diese Folge der Schreibdilettanten gehört und wollte alles richtig machen. 🙂
Bei einigen Testlesern lief dies sehr gut. Ich bekam ausführliches Feedback und bestimmt andere Dinge mitgeteilt, als ich mit einem Fragebogen hätte abfragen können. Ich glaube schon, dass durch einen Fragebogen die Antworten bzw. das Feedback gesteuert wird, und zwar natürlich in Richtung der Fragen, die beantwortet werden sollen.
Trotzdem gibt es Testleser, aus denen man bestimmt mehr mit einem Fragebogen herauskitzeln kann. Das sind insbesondere diese, die hauptsächlich mit einem „Gefällt mir” oder „Gefällt mir nicht so gut” reagiert haben. Manchen fällt es eben schwer, ihr Empfinden in Worte zu fassen und konkret zu benennen, was denn nun gut oder schlecht war und vor allem warum.
Aber das ist genau das, was dich weiterbringen würde. So ein Fragebogen zwingt diese Leute, doch mal ernster nachzudenken und ihre Gedanken zu formulieren.
Hierfür habe ich einen Fragebogen entwickelt, den ich dir hier vorstellen möchte.
Fragebogen für meine lieben Testleserinnen!
- Welche Genres liest du am liebsten?
Insbesondere, wenn man die Testleserin nicht so gut oder gar nicht kennt, sollte man wissen, in welchem Genre sie sich gut oder weniger gut auskennt. Dementsprechend kannst du ihre Antworten einordnen. - Wie gut hat dir mein Buch gefallen? Wie viele Sterne würdest du ihm bei Amazon geben (von * bis *****)
Dies ist sozusagen die Gesamtbewertung. Ins Detail gehen wir später. - Hast du beim Lesen deinen Alltag gut ausblenden können?
Natürlich ist es wünschenswert, dass die Testleserin so gefesselt von deinem Roman war, dass sie ihren Alltagsstress vergessen konnte. - Würdest du gerne eine Fortsetzung der Geschichte lesen?
Manchmal ist es so – eine Geschichte hat dir gut gefallen. Aber doch nicht so gut, als dass du Zeit investieren würdest, eine Fortsetzung zu lesen. - Konntest du das Buch flüssig lesen? Kann man dem Verlauf der Geschichte gut folgen? Wenn nein, warum und wo hakt es?
- Gab es Stellen, an denen du dich zwingen musstest, weiterzulesen (welche?) Wo war das Buch langweilig?
- Erinnert dich mein Schreibstil oder die Geschichte an irgendein anderes Buch oder Autor/in?
Die Frage ist ganz interessant, um mögliche „Konkurrenz” zu entdecken. Neulich traf ich eine meiner Testleserinnen und sie sagte mir sofort einen Titel, der so ähnlich wie mein Roman wäre. Von dem Buch hab ich noch nie was gehört! - Allgemein: Was würdest du ändern? Was hat dir gar nicht gefallen?
- Allgemein: Gab es Stellen, die dir besonders gefallen haben (welche?) (ja, auch eine Autorin braucht Streicheleinheiten)
- Gibt es eine Szene, die dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Dies sind meist Stellen, die Emotionen geweckt haben. Es ist gut zu wissen, welche Szenen am eindruckvollsten sind. - Fandest du die Anfangsszene gut? Hat sie dich zum Weiterlesen animiert?
Ganz wichtige Frage. Wenn die Anfangsszene Mist ist, lesen viele gar nicht erst weiter. Vor allem nicht Lektoren. - Konntest du den Ablauf der Ereignisse nachvollziehen? Gab es Logikbrüche? Plotlöcher? Wo?
- Welche Szenen fandest du überflüssig? Wo würdest du kürzen?
Dies ist gerade für mich, die ich viel zu viel und zu ausführlich immer schreibe, eine wichtige Frage. An der richtigen Stelle gerafft kann der Text nur gewinnen. Autorinnen wie mir fällt es leider schwer, sich von Text zu trennen. Da kann die Hilfe von objektiven Testleserinnen Gold wert sein. - Gibt es Stellen, die nicht verständlich waren? Welche?
- Gibt es Stellen, die nicht glaubwürdig sind? Welche?
- Gibt es Dialoge, die dir nicht gefallen haben? Welche?
- Konntest du dir die Schauplätze gut vorstellen? Sollte ich einige besser beschreiben? Oder weniger beschreiben?
- War dir die Protagonistin sympathisch? Konntest du dich mit ihr identifizieren? Konntest du mitfiebern? Handelt sie glaubwürdig/nachvollziehbar?
Wenn es hier Probleme gibt, sollte man sich die Charakterentwicklung der Protagonistin noch einmal vornehmen. Außerdem ist es sehr blöd, wenn eine Figur ganz offenbar nur etwas tut, damit der Plot entsprechend fortgeführt werden kann. - Konntest du das Handeln des Antagonisten nachvollziehen?
Siehe Protagonistin. - Empfindest du eine Figur im Buch als überflüssig? Wen könnte ich rauswerfen und warum?
Figuren, die nichts zum Geschehen beitragen und irgendwie farblos wirken, sollten gestrichen werden. - Welchen Charakter mochtest du am liebsten?
Das sollte in der Regel die Protagonistin sein. Es wäre zumindest gut, wenn sie es wäre. - Welchen Charakter konntest du am wenigsten leiden?
Das sollte hoffentlich der Antagonist sein. - Hat dir der Schluss gefallen oder fandest du ihn unbefriedigend? Würdest du etwas ändern? Wenn ja, was? Hast du ihn vorausgesehen?
- Gibt es Fragen, die nicht beantwortet werden und die dich mit einem blöden Gefühl zurücklassen?
Dies ist eine Frage nach möglicherweise unbemerkt offen gebliebenen Handlungssträngen. Natürlich muss nicht jede Frage bis ins Kleinste beantwortet werden, aber wenn der Leser sich veräppelt fühlt, ist das nie gut. - Sind dir Wörter oder sprachliche Bilder/Phrasen aufgefallen, die ständig benutzt werden und die den Lesefluss stören? Ist der Satzbau okay?
Ich stelle immer wieder fest, dass ich Wörter innerhalb eines Absatzes wiederhole. Wahrscheinlich setzen sie sich während des Schreibens im Gehirn fest! Oder aber man hat Lieblingswörter/-vergleiche, die manche Leser nerven. Normalerweise sollten sie bei der Überarbeitung auffallen und rausfliegen. Wenn aber mal was durchrutscht, sind aufmerksame Testleser hilfreich. - Kommst du mit meinem Schreibstil klar?
- Fällt dir ein besserer Titel für die Geschichte ein?
Im Titel-Finden war ich noch nie gut. Da soll es aber Naturtalente geben. Warum also nicht fragen? - Wenn du eine Rezension bei Amazon zu diesem Buch schreiben würdest, was würde da drinstehen?
Besser vorher das Buch zerreißen und nicht erst, wenn es schon veröffentlicht ist. Es können aber auch tolle Sachen hier stehen. - Ist dir sonst noch etwas aufgefallen?
So, das sieht nun nach viel aus, aber viele Fragen können mit ja oder nein beantwortet werden. Hier findest du den Fragebogen für Testleser, zum Download als word-Datei, ohne die Erklärungen natürlich. Du kannst ihn gerne für dich persönlich anpassen!
Daniela Heinen
September 27, 2021 at 10:36amVielen Dank für die tollen Tipps und vor allem für den Fragebogen. Der passt für mich gerade perfekt und ich bin froh, ihn verwenden zu dürfen!
Steffi
September 27, 2021 at 7:43pmDankeschön und gerne geschehen!