So vermeidest du schwache Adjektive

So vermeidest du schwache Adjektive
Es gibt von Mark Twain ein Zitat: „Wenn Sie ein Adjektiv finden, töten Sie es sofort!“
Was meint er damit? Soll man gar keine Adjektive mehr benutzen? Und warum?
Steigen wir gleich ein und beleuchten die Aussage von Mark Twain einmal näher.

Warum um Himmels Willen soll ich keine Adjektive benutzen?

Ich hatte früher bezüglich der Regel von Mark Twain ein großes Fragezeichen im Kopf. Warum denn keine Adjektive, sie beschreiben doch ganz genau und noch viel eindeutiger die Umstände, sie liefern doch tolle Details – so war meine Überlegung. Ein Text ohne Adjektive – ist der nicht fad und steril?
Mittlerweile habe ich begriffen, worauf es ankommt. Zwar liefern Adjektive viele Details, aber der Leser ist damit völlig überfordert, sich alles zu merken. Es erfordert höchste Konzentration, einen derart mit Informationen überfrachteten Text zu lesen und auch nachzuvollziehen. Eigentlich ist es eine Art Faulheit, dem Leser eine Fülle von Adjektiven vor die Füße zu kippen, so nach dem Motto: Such dir mal das passende für dich aus. Nein, für diese Arbeit ist der Autor zuständig. Jedes Wort wird sorgfältig ausgewählt und muss sitzen.

Adjektive drücken manchmal einen Sachverhalt doppelt aus

“Halt’s Maul!”, schrie er laut.
Schreien kann man in der Regel nicht leise. Das Gleiche gilt übrigens auch für leise flüstern, nur umgekehrt. Noch dazu finden wir hier eine Doppelung, die nicht so leicht zu erkennen ist wie das “laut schreien”. Man erkennt nämlich schon am gesprochenen Text, dass der Redner nicht gerade freundlich drauf ist. Es stellt sich die Frage, ob es wirklich nötig ist, zusätzlich zu betonen, dass er “schrie”.
Der heiße Tee verbrannte mir die Lippen.
Dass Tee im Allgemeinen heiß ist, ist bekannt. Warum also noch dem Leser noch extra mitteilen?
Wie wäre es dann mit: Der brühendheiße Tee verbrannte mir die Lippen? Weil ich betonen möchte, dass er heißer war, als man normalerweise erwarten darf? Das ist schon besser, aber dennoch ist Tee normalerweise heiß, ob nun “nur” heiß oder kochendheiß.
Die Lösung: Entweder weglassen oder nimm stattdessen Beschreibungen, die wirklich ein Bild im Kopf des Lesers erzeugen, und zwar geht das besser ganz ohne Adjektive: Au! Ich riss die Tasse weg von meinem Mund, sodass der Tee überschwappte und mir zu allem Übel noch auf die Oberschenkel spritzte. Vor Schmerz sprang ich auf.
Jetzt wissen wir außerdem, dass die Person, die den Tee trinken wollte, entweder mit ihren Gedanken woanders war oder einfach fast kochend heißen Tee nicht erwartet hatte.

Adjektive werden auch benutzt, um schwache Wörter nachzurüsten

Der gefährliche Hund an der Kette bellte laut.
Nein! Besser: Der Kampfhund tobte an der Kette. Fast erwürgte er sich dabei, doch er schaffte es trotzdem, so zu bellen, dass ich mir die Hände auf die Ohren presste.
Statt „gefährlicher Hund“ wurde hier „Kampfhund“ benutzt, was zum einen ein treffenderes Substantiv ist, sodass auf das Adjektiv „gefährlich“ verzichtet werden kann. Dann wurde statt des “bellte laut” eine Umschreibung gewählt, die die Auswirkungen des Bellens zeigt. Hier entsteht eher ein Bild im Kopf des Lesers als bei dem nichtssagenden ersten Satz mit den unspezifischen Adjektiven “gefährlich” und “laut”.

Vermeide Floskeln

Hohes Engagement, außergewöhnlich intelligent, zuverlässiger Service, traumhafter Strand, tiefe Trauer – da gibt es auch ganz schön viel Abgedroschenes.
Hier kannst du dir behelfen, indem du die Adjektive einfach weglässt. Meistens lassen sie sich streichen und die Bedeutung bleibt unverändert. Wenn du Aussage aber partout betonen möchtest, so versuch doch mal, eine passende Umschreibung zu finden.

Vermeide schwammige Adjektive

Der hässliche Hund. Die schöne Frau. Der herrliche Abend.
Kann man sich darunter etwas Konkretes vorstellen? Wohl eher nicht. Für sich allein gestellt, sagt ein solches schwammiges Adjektiv überhaupt nichts aus. Was ist das für ein Hund, was an ihm ist hässlich? Welche besondere Äußerlichkeit macht die Frau schön? Warum ist der Abend herrlich, wegen des Sonnenuntergangs oder weil der Erzähler soeben eine Reise gewonnen hat?
Hier gilt wie oben schon erläutert: Zeige dem Leser, was unter einem hässlichen Hund zu verstehen ist und zwar in diesem speziellen Roman, den du schreibst. Denn in einer anderen Geschichte kann der hässliche Hund ganz anders aussehen.
Also etwa so: Zwischen einzelnen Haarbüscheln konnte man die Haut sehen. Seine Knochen stachen hervor und er besaß kaum noch Zähne.
Jetzt weiß der Leser, dass der Hund hässlich ist, weil er vernachlässigt wurde, was sich auf sein Äußeres ausgewirkt hat.

Vermeide die Aneinanderreihung von Adjektiven

Der große, böse, schwarze Hund wirkt irgendwie so überhaupt nicht gefährlich, auch wenn der Schreiber dieser Worte dies wohl mit den vielen Adjektiven betonen wollte. Leider tritt eher das Gegenteil ein, die Adjektive konkurrieren um die Aufmerksamkeit des Lesers und schwächen sich dadurch gegenseitig.
Die Lösung: Wenn man hier partout nicht auf ein Adjektiv verzichten will (man könnte z.B. einfach der Kampfhund schreiben), sollte man sich für ein einziges, möglichst aussagekräftiges entscheiden. Ich finde alle drei Adjektive nicht besonders gelungen; hier sollte man unbedingt ein ungewöhnlicheres finden.

Und was ist mit den Adverbien?

Das gleiche, was für Adjektive gilt, gilt auch für Adverbien. Und Adverbien sollte man noch genauer auf den Prüfstand legen, denn sie werden zusätzlich noch als Füllwörter missbraucht. Also weg mit ihnen, wo es geht.

Soll man gar keine Adjektive benutzen?

Wie ist das Zitat von Mark Twain nun zu verstehen: “Wenn Sie ein Adjektiv sehen, töten Sie es sofort.”
Ist es wirklich eine Aufforderung, alle Adjektive zu streichen?
Meist wird nur dieser eine Satz von Mark Twain erwähnt. Aber das Zitat geht noch weiter. “Wenn Sie ein Adjektiv sehen, töten Sie es sofort. Vielleicht nicht in jedem Fall. Aber töten Sie die meisten – dann ist der Rest wertvoll. Adjektive schwächen Ihren Text, wenn sie zu dicht stehen. Sie geben Kraft, wenn sie viel Raum zwischen sich haben.”
Aha, Adjektive in sparsamen Dosen sind nach Mark Twain also durchaus erlaubt.

Unterscheidungen, Vergleiche und Wertungen

In diesen Fällen kann man nicht auf Adjektive verzichten.
– Sollen wir Helene das blaue oder das gelbe Strandtuch kaufen?
– Ich finde das gelbe Strandtuch schöner.
– Robert hielt das gelbe Strandtuch hoch.
Aber das erklärt sich eigentlich von selbst.

Sind Adjektive überhaupt noch “erlaubt”?

Schreiben wir “erlaubt” lieber in Anführungszeichen. Natürlich steht es jedem frei, Adjektive zu benutzen, wo immer er oder sie mag.

Überprüfe, ob es Alternativen zu jedem einzelnen Adjektiv in deinem Text gibt. Wenn ja, dann streiche es. Schreibe lieber “der Hüne” als “der große Mann”. Benutze lieber Verben als Adjektive. Erstere bringen Bewegung rein, letztere sind statisch. Adjektive, die nur das Übliche betonen und nichts Neues bringen, werden gestrichen.
Wenn es eine ungewöhnliche Kombination von Adjektiv und Substantiv ist, kann es durchaus berechtigt sein, das Adjektiv “am Leben zu lassen”. Zum Beispiel: Seine grimmige Freundlichkeit ließ mich frösteln.
Hier darf sich der Leser zu Recht fragen, was denn eine “grimmige” Freundlichkeit ist. Diese ungewöhnliche Kombination weckt Neugier.
Beschreibt das Adjektiv das Substantiv noch konkreter, ruft es bereichernde Bilder hervor oder liefert es eine wichtige zusätzliche Information, so kannst du durchaus überlegen, es stehen zu lassen.

Fazit

Man sollte sich also Zeit lassen, das wirklich passende Wort für eine Szene / Situation / Beschreibung zu finden, statt eine Flut an Adjektiven bzw. Adverbien hinzuschreiben, in der Hoffnung, dass das richtige schon dabei sein wird. Manchmal ist das nicht so einfach, es erfordert Denkarbeit und man kommt nur langsam im Text voran, aber ich finde, es lohnt sich. Die Texte gewinnen an Klarheit und hinterlassen mehr Eindruck beim Leser.
Wie gehst du mit Adjektiven um? Streichst du sie dir in der Überarbeitungsphase alle an, wie in vielen Schreibratgebern gefordert?

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