Dies ist der 5. Teil der Serie „Wie du unglaublich spannende Romane schreibst”.
Hier geht es zum 1. Teil, hier zum 2. Teil, hier zum 3. Teil und hier zum 4. Teil.
Nun bist du schon fast ein Meister im Spannungsaufbau. Aber ich habe noch drei weitere Techniken für dich.
14. Im Ungewissen lassen
Eine weitere großartige Technik ist es, Informationen vorzuenthalten, und da gibt es verschiedene Möglichkeiten.
- Der Leser weiß mehr als die Protagonistin.
Superärgerlich für den Leser – er würde sie gerne vor dem Mörder warnen, der mit gezücktem Messer in ihrem Schlafzimmer auf sie wartet, während sie ahnungslos die Treppe hochgeht … das geht natürlich nicht und deswegen wird er ganz hibbelig und aufgeregt!
Dies wäre ein klassisches Szenario aus einem Krimi oder Thriller, funktioniert aber auch in anderen Genres. - Der Protagonist weiß mehr als die Leserin.
Diese Art der Informationsvorenthaltung ist mir besonders bei Krimis aufgefallen: Der Fall wird gegen Ende besonders spannend, aber man weiß überhaupt nicht, wer der Mörder sein könnte. Es könnte der sein, aber auch die … und der Kommissar unternimmt bestimmte Schritte, die der Leserin auf den ersten Blick überhaupt nicht einleuchten, aber spätestens dann, wenn der Mörder gefasst ist, auf raffinierte Weise erklärt werden.
Wenn jeder Schritt des Kommissars dem Leser schon bekannt wäre, würde großes Spannungspotential verschenkt. Denn hier ist die Frage, wie der Kommissar den Fall gelöst hat, wesentlich spannender als die Frage, ob er ihn lösen wird. Denn das tut er (in der Regel) auf jeden Fall. - Weder der Leser noch der Protagonist wissen etwas.
Das ist wohl der häufigste Fall, um auf diese Weise Spannung zu erzeugen. Wer ist der geheimnisvolle Typ, der da ständig ums Haus schleicht? Der Protagonist weiß es nicht und der Leser auch nicht. Diese Frage gilt es zu klären. Zum einen wird hier eine geheimnisvolle Frage aufgeworfen (vergleiche Teil 2, Punkt 4) und zum anderen erzeugt auch das vage Ahnen von Gefahr (vergleiche Teil 3, Punkt 7) Spannung.
15. Action
Spannung mit Action gleichzusetzen funktioniert natürlich alleine nicht. Kampfszenen oder Auto-Verfolgungsjagden sind ziemlich langweilig, wenn sie nicht mit einer der anderen Techniken kombiniert werden. In der Regel wird Action mit Gefahr kombininert, sonst macht es meist keinen Sinn 🙂 .
Oftmals muss die Protagonistin vor dem Antagonisten fliehen oder umgekehrt, sie verfolgt ihn. Und weil das alleine recht gewöhnlich ist, legst du ihr noch allerhand Gefahren obendrauf.
Vermeide dabei, allzu banal zu werden, wie z.B. ständig mit versperrten Türen oder blockierten Straßen zu arbeiten. Oder die klassische Bananenschale, auf der die Heldin ausrutscht. Lass ihr lieber von einer wütenden Nachbarin einen Eimer Wasser über den Kopf kippen.
Denke also auch hier daran, diese Gefahren möglichst außergewöhnlich zu gestalten. Das Außergewöhnliche ist immer besser!
Grundsätzlich bedeutet Spannungsaufbau durch Action für deine Protagonistin, dass sie wahrscheinlich viel in Bewegung sein wird und gleichzeitig wenig Zeit zur Verfügung hat.
Zeitdruck erzeugt unglaubliche Anspannung im Leser und ist für den Autor meist leicht zu schaffen. Eine Bombe, die in fünf Minuten explodiert, ein Brief, der schon im Briefkasten liegt und den es aufzuhalten gilt, bevor er zugestellt wird, eine Gifttablette, die aller Voraussicht nach in drei Stunden zum Tode führt und ähnliches.
Actionszenen kannst du gut auch sprachlich unterstreichen, indem du deine Sätze kurz hältst.
Kurze Sätze wirken abgehackt und verdeutlichen gut die Zeitnot, in der sich der Protagonist befindet. Oder du konstruierst lange Sätze, bei denen du die Ereignisabfolge aneinanderreihst:
Er schaute sich gehetzt um, rannte zu seinem Wagen, sah aber noch im Augenwinkel das Geschoss, das auf ihn zuflog, duckte sich rechtzeitig, riss die Autotür auf und brauste los.
Solche Sätze lassen den Leser atemlos werden! Der eingeschobene Relativsatz (… , das auf ihn zuflog, … ) verlangsamt das gefühlte Tempo allerdings um einen Bruchteil und gönnt dem Leser eine minikleine Entspannung, bevor es weitergeht.
Auf diese Weise kannst du bei deinem Leser das Gefühl für die Geschwindigkeit einer Szene wecken oder, wenn gewünscht, das Tempo herausnehmen.
16. Cliffhanger
Dieses Prinzip findet man natürlich besonders häufig bei Fernsehserien, weil die Zuschauer eine ganze Woche oder gar noch länger ausharren müssen, bis die nächste Folge kommt. Da ist es schon gut, wenn man einen spannenden Cliffhanger hat, damit sie nicht abspringen, sondern nächste Woche weiterschauen.
Aber auch bei Romanen lässt sich diese Methode gut anwenden, denn irgendwann muss der Leser eben doch mal eine Pause machen und dann ist es gut, wenn er es kaum abwarten kann, zu erfahren, wie es weitergeht. (Wenn er allerdings dein Buch vor lauter Spannung in einem Rutsch durchliest, dann hast du alles richtig gemacht :-))
Spannungsaufbau mit Cliffhangern funktioniert ganz besonders gut bei Romanen mit zwei oder mehr Handlungssträngen.
Das bedeutet einfach nur, dass du den einen Handlungsstrang an einer besonders spannenden Stelle abrupt beendest. Z.B. gerade dann, wenn deine Heldin sich nur noch mit zwei Fingern am Rande einer Klippe festkrallt und abzustürzen droht 🙂 . Daher eben auch der Name.
Die Frage ist jetzt, wie kommt sie da wieder raus? Stürzt sie womöglich ab? Für den Leser eine ziemlich unerträglich spannende Frage! Tja, aber leider folgt nun der andere Handlungsstrang. Erfahren wird er die Lösung nur, wenn er weiterliest – und das tut er natürlich!
Den zweiten Handlungsstrang kannst du natürlich ebenso spannend beenden und deine Leser erneut im Ungewissen lassen, wie es weitergeht.
Aber, und hier das große ABER: Wie immer gilt es nicht zu übertreiben. Wenn jedes Kapitel mit einem Cliffhanger endet, könntest du deine Leser eventuell auch verärgern. Stell dir vor, du liegst todmüde im Bett, willst aber noch schnell wissen, wie es weitergeht. Also denkst du, lese ich mal noch dieses Kapitel zu Ende. Tja, und dann landest du beim nächsten Cliffhanger. Und dann wieder bei einem. Und so weiter. Das kann ganz schön auf die Nerven gehen, wenn du in fünf Stunden morgen früh schon wieder aufstehen musst …
Und zu guter Letzt müssen Cliffhanger natürlich in den Plot passen und dürfen nicht aufgesetzt wirkten. Man fühlt sich als Leser oder Zuschauer schon veräppelt, wenn an einer superspannenden Stelle ein Cliffhanger eingebaut wird, man ewig wartet, bis es weitergeht und dann folgt irgendeine Banalität.
Zusammenfassung
Mehr Spannung geht fast gar nicht, oder doch?
Natürlich erfordert es eine gewisse Übung, alle diese Techniken hier zu beherrschen und in eine Geschichte einzubauen. Aber wenn du jetzt weißt, welche Techniken zum Spannungsaufbau es gibt, sollte es eigentlich kein Problem sein, sich die einzelnen Szenen im Roman anzuschauen und zu überlegen, mit welcher Methode man die Szene noch ein kleines bisschen aufregender machen könnte.
Einfach ausprobieren.