Wenn du deine Geschichte nicht loslassen willst

rosen im Buch - Geschichte loslassen

Heute möchte ich mal über ein Phänomen schreiben, das nicht weitverbreitet zu sein scheint. Jedenfalls habe ich nicht allzu viel darüber gefunden.

Nichtsdestotrotz kann ich mir nicht vorstellen, dass ich die Einzige bin, der es so gegangen ist. Bestimmt gibt es noch andere Autoren, denen es beim Schreiben ihrer ersten Geschichte schwergefallen ist, das Wörtchen „Ende” darunter zu schreiben.

Kannst du auch deine allererste Geschichte nicht loslassen?

Die erste Geschichte, die jemand schreibt, ist oft stark autobiografisch geprägt. Dementsprechend stecken viel Emotionen, Herzblut und viel vom allergeheimsten Innenleben des Autors drin. Mit dem sich nähernden Ende stellt sich dann womöglich eine zunehmende Leere ein, eine Angst, die Geschichte zu Ende zu schreiben und loslassen zu müssen.

Mir ging es bei meinen beiden ersten Geschichten so. Da steckte viel von mir drin und ich wollte diese Bücher eigentlich gar nicht zu Ende schreiben, weil ich das Gefühl hatte, dann würde sich alles verändern. Es war, als würde die schöne Welt, die ich mir erschaffen hatte, sich mit dem Wörtchen „Ende” in Luft auflösen und ich selbst wieder in die langweilige Wirklichkeit geschleudert. Dabei war diese von mir geschaffene Welt bei weitem nicht schön, sondern meine Figuren hatten mit grässlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Dennoch war ich es, die die Kontrolle darüber hatte, und das fühlte sich unendlich gut an!

Noch heute fühle ich eine gewisse Wehmut, wenn ich diese Geschichten mal wieder hervorhole und lese.

Diese Art Bücher sind deine Babys, deine Herzenskinder, die du trotz allem irgendwann loslassen musst. Alle Kinder werden irgendwann erwachsen und lösen sich von dir, und es liegt an dir, diesen Prozess so angenehm wie möglich zu gestalten. Denn festhalten kannst du sie nicht, weder die Kinder noch die Geschichte. Alle Geschichten sind irgendwann mal zu Ende. Ja, man trauert, aber danach kannst du stolz sein auf das, was du geschaffen hast.

Eine Zeitlang dachte ich auch, Mensch, ich kann nie wieder so eine tolle Geschichte schreiben. Ich bin leer, alles ist gesagt, ich weiß nicht mehr, was ich jetzt schreiben soll. Und wie um alles in der Welt soll ich mich noch steigern, das geht doch gar nicht mehr.

Das ist natürlich Unsinn. Nach einem Erstlingswerk steigert man sich automatisch, zumindest was das Handwerk anbelangt. Und gibt es Schriftsteller ohne neue Ideen? 😉 Nein, es geht eher darum, wie du mit diesen Trauergefühlen umgehen kannst, die sich einstellen, wenn sich deine Herzensgeschichte ihrem Ende nähert.

Wie kannst du mit dieser Trauer umgehen?

Ein Patentrezept, wie du in einem solchen Fall verhalten kannst, habe ich leider nicht. Vielleicht hilft es dir, dir einen zweiten Band auszudenken. Dieser kann dann schon weniger autobiografische Züge aufweisen und vielleicht den Übergang zum „richtigen”, fiktionalen Schreiben einleiten. Auf diese Weise gewinnst du automatisch Abstand zu deiner Geschichte, wenn du mehr und mehr erdachte Handlungen einwebst als solche, die wirklich in deinem Leben geschehen sind.

Was genau meine ich mit dem „richtigen”, fiktionalen Schreiben? Bitte nicht falsch verstehen, das ist keinesfalls bewertend gemeint! Vielmehr denke ich, dass dies zwei ganz verschiedene Arten sind zu schreiben.

Im ersten Fall, also das sagen wir mal autobiografisch geprägte Werk, fließt die Geschichte wie von selbst. Man weiß ja alles darüber, man hat alles selbst erlebt und alles ist im Kopf. Daraus folgt automatisch, dass man seine Mühe und Energie eher in den Prozess des Schreibens und gleichzeitig (Wieder-)Erlebens der Handlung steckt.

Im zweiten Fall, also bei einem völlig fiktionalen, ausgedachten Werk, geht das nicht so einfach von der Hand. Man muss sich plötzlich mit Dingen wie Plotten, Figurenentwicklung, Spannungsbogen etc. beschäftigen, denn die Handlung und die Figuren sind ja nicht vorgegeben bzw. einfach da wie beim autobiografischen Werk. Dies ist die Art von Schreiben, die wir meinen, wenn wir vom „kreativen Schreiben” sprechen.

Manche werden genau hier, an dieser Schwelle, aussteigen und sagen, gut, ich habe mein Wunschbuch geschrieben, das reicht mir. Für die anderen beginnt erst jetzt die richtige Arbeit, die Weiterentwicklung als Autor.

Nach vorne sehen…

Aber zurück zu unserem emotional beladenen Erstlingswerk.
Möglicherweise konzentrierst du dich eine Zeitlang auf ein anderes Hobby, um komplett Abstand zu gewinnen. Oder aber du möchtest gleich eine völlig andere Geschichte beginnen, womöglich gar in einem anderen Genre. Das wäre die radikale Art. Jeder trauert anders…

Bestimmt gibt es einige Autoren, die ein solch kostbares Werk in ihrer Schublade herumliegen haben. Vielleicht ist es nicht einmal fertiggestellt. Wenn du dazugehörst, hilft es dir vielleicht zu hören, dass du nicht alleine bist. Meine beiden Romane sind zwar fertig, werden aber – zumindest in ihrer jetzigen Fassung – niemals an die Öffentlichkeit gelangen. Möglicherweise hast du es aber auch geschafft, es zu veröffentlichen. Das wäre natürlich wunderbar…

Hattest du auch solche Gefühle, nachdem du deinen ersten Roman beendet hast? Wie bist du mit ihnen umgegangen? Oder stehe ich wirklich allein auf weiter Flur?

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