Einen 2. Band nachschieben? Das musst du beachten!

Einen 2. Band nachschieben Das musst du beachten

Einen 2. Band nachschieben? Das musst du beachten!

Vorgeschichte zu diesem Blogartikel

Überspringe sie, wenn du es eilig hast. Was du wissen musst, findest du unten!

Beim diesjährigen NaNoWriMo 2022 kam ich mal wieder an meine Grenzen. Obwohl ich eigentlich genau wusste, was ich schreiben wollte, blieb die Geschichte seltsam fad und blutleer. Der Plot stand, er war gut – megaspannend, meiner Meinung nach – aber trotzdem hatte ich ein doofes Gefühl.

Nun, ich merkte leider ziemlich rasch: Meine Charaktere waren nicht ausgefeilt genug.

An der Stelle könnte man einwenden:

Es ist eine Rohfassung, die man im NaNo schreibt.

Das ist im Prinzip richtig, aber galt dieses Mal nicht ganz für mich. Denn meine diesjährigen Schwierigkeiten beim NaNo kamen daher, dass ich einen zweiten Band schrieb. Die Charaktere waren also schon entwickelt und festgelegt – aber eben nur für den ersten Band. Dort war alles in Ordnung, für diesen ersten Teil waren sie perfekt.

Aber ich hatte nicht bedacht, dass im zweiten Teil ganz andere Dinge passieren würden. Wie würden die Figuren da reagieren? Plötzlich musste ich feststellen, wie unglaublich viele Seiten so ein Mensch hat – und eine Romanfigur soll ja einen Menschen darstellen. Wenn ich weiß, dass sie sich im Großstadtdschungel wohlfühlt und hier die große Angeberin hervorkehrt, weiß ich noch lange nicht, was sie macht, wenn man sie zwischen Fuchs und Hase aufs Land versetzt.

Mal ein etwas allgemeineres Beispiel: Ich wusste z.B. genau, dass Rick Gabriel verfolgen würde, sie würden kämpfen (ich stellte mir eine Szene in einem nächtlichen Garten mit Gartenteich vor) und Rick würde Gabriel fast überwältigen, aber nur fast. Am Ende würde Gabriel entkommen.

So weit, so gut. Aber was ging in Gabriel vor? Hatte er Angst? Oder war er siegessicher? Würde er Rick auslachen am Ende oder wäre er einfach nur froh, entkommen zu sein? Was würde er sagen, würde er schreien, oder flüstern oder gar stumm kämpfen?

Wie du siehst, kann man so eine Szene sehr vielfältig schreiben, je nachdem, wer sie erlebt. Und das war bei diesem Roman mein großes Problem. Nicht mal so sehr mit Gabriel – das obige Beispiel habe ich etwas überspitzt, um deutlich zu machen, wovon ich rede.

Es ist mir aufgegangen, dass ich meine Geschichte sehr plotbetont entwickelt habe. Ich dachte ja, die Charaktere seien fertig. Also habe ich versucht, die Charaktere in die Handlung hineinzupressen. Ich habe mir vor allem Konflikte ausgedacht, die von außen auf die Figuren einwirken. Sie handelten so, wie es der Plot vorgab, was ehrlich gesagt sehr hölzern wirkt. Ein großer Fehler.

Okay, ich habe das recht früh bemerkt. Jetzt kommt aber das große ABER:

Wenn ich mir jetzt rasch für die Charaktere weitere Ecken und Kanten ausdenke, damit sie authentischer sind, handeln sie nun aber womöglich nicht mehr so, wie der Plot vorsieht. Kopfkratz. Das ist auch ein großes Problem. Vor allem, wenn man mitten im NaNo-Stress befindet.

Wenn du Band 2 ersinnst, beachte folgende Punkte

Daher, wenn du denkst, dein ursprünglich als Einzelband geplanter Roman könnte nun doch einen zweiten Band gebrauchen, überlege folgende Punkte vorher und spare dir viel Arbeit:

1. Die Charaktere brauchen in Band 2 neue Ziele

Die Ziele aus Band 1 reichen nämlich meist nicht mehr. Natürlich wollen sie immer noch die Welt retten (oder was auch immer du geplant hast) – daran hat sich nichts geändert. Aber sie haben eine Entwicklung durchgemacht und das ändert natürlich den Blick der Figuren auf die Welt. Sie brauchen neue, innere Ziele.

2. Sie müssen eine weitere Entwicklung durchmachen

Diese weitere Entwicklung kann durchaus auf der ersten basieren. Um bei Gabriel zu bleiben: Hat er am Ende von Band 1 erkannt, dass er von der bösen zur guten Seite wechseln sollte, so lässt sich das in Band 2 fortsetzen. Hier kann er beweisen, was wirklich in ihm steckt.

3. Daraus folgt: Die Charaktere müssen noch besser ausgefeilt werden

Sie brauchen für jede Situation, die neu vorkommt, authentische Handlungsweisen. Vielleicht klappt es so, wie du sie in Band 1 entwickelt hast, wahrscheinlich aber nicht.

4. Der Plot muss auf die Charaktereigenschaft der Figuren basierend angepasst werden

Das kann enttäuschend und mühsam sein, wenn bestimmte Geschehnisse nicht funktionieren, nur weil dein Charakter das nicht tun „kann“. Wenn du deine Hauptperson extrovertiert, laut und draufgängerisch angelegt hast, funktionieren Plotwendungen nicht, wo sie plötzlich ihren Mund halten muss, um ein bestimmtes Geheimnis nicht zu verraten. Das passt einfach nicht zu der Figur! Also muss der Plot im zweiten Band dementsprechend geplant werden. Denn wir wollen ja alle ein GUTES Buch schreiben.

Hier sieht man mal wieder, wie eng Plot und Charaktere miteinander verzahnt sind. Ohne das eine funktioniert das andere nicht.

Das Dilemma mit dem Plot und der Charakterentwicklung bei einem 2. Band

Selbstverständlich kann man an die Geschichte herangehen, indem man zunächst den Plot betrachtet. Man beschäftigt sich also zunächst intensiv mit der Geschichte (also die Nordkrieger greifen an, oder eine Verschwörung der Thronerben droht, oder ein Dorf wehrt sich gegen Versklavung, oder …)
So habe ich es bei meinem zweiten Band gemacht, weil ich dachte, ich wüsste, wie meine Figuren ticken … von wegen. Ich bin auf die Nase gefallen.
Denn: Konzentriert man sich nur auf den Plot und vernachlässigt die Figuren, entstehen merkwürdige Situationen, in denen die Figuren unauthentisch handeln und austauschbare Schablonen bleiben.

Eine Lösung, die sich gerade bei einem zweiten Band anbietet, ist, dass man von einem Charakter ausgehend die Geschichte ersinnt: Man entwickelt zunächst aus dem Want/Need einer Figur die Geschichte (beispielsweise strebt sie nach Rache wegen eines Erlebnisses in der Kindheit, oder sie hat Sehnsucht nach Aufmerksamkeit, oder sie trauert …).
ABER auch hier gilt: Konzentriert man sich nur auf die Figuren, bleiben interessante Plotwendungen und womöglich die Spannung in der Handlung auf der Strecke.

So, das ist das schreckliche Dilemma. Das eine funktioniert ohne das andere in den seltensten Fällen. Die Kunst des Autors/der Autorin ist es, beides miteinander zu verzahnen.

Es gibt natürlich rein handlungsgetriebene Bücher, z.B. Dan Browns Illuminati dürfte manch einem ein Begriff sein. Solche Bücher sind spannend, keine Frage, aber die Figuren bleiben leider relativ flach. Beispiele für figurenorientierte Bücher gibt es selbstverständlich auch (z.B. die allermeisten hochliterarischen Werke, z.B. von Frisch, Kleist, Tolstoi und wie sie alle heißen, leben von inneren menschlichen Konflikten der Figuren). Die mögen dann dem einen oder anderen Actionbegeisterten zu langweilig sein, aber für psychologisch Interessierte höchst faszinierend.

Das Optimum liegt wohl für die meisten Autorinnen und Leser in der Mitte, sowohl bei der Figurenentwicklung als auch bei äußerer Action/Drama.

 

Eine mögliche Idee, wie man Charakter- und Plotentwicklung miteinander verzahnen kann

Die folgenden Ratschläge gelten übrigens ganz allgemein, nicht nur, wenn du einen zweiten Band nachschieben willst.

  • Sammle alle möglichen Ideen für Handlungen, Plottwists, Schauplätze, Dialoge, Lieblingsszenen etc. Lege die wichtigsten Plotpunkte fest.
  • Anschließend, wenn der Roman als Ganzes aufgebaut werden soll, befasse dich mit den Figuren. Wie passen sie hinein? Passen die Charaktereigenschaften, die du für deine Figuren vorgesehen hast, zu den Szenen, die du für den Plot möchtest? Wo sollen sie sich hinentwickeln?
  • Beim Planen/Schreiben der einzelnen Szenen geben dann die Charaktere die Richtung an und weisen dir den Übergang zwischen deinen Plotpunkten.

So, ich setze mich jetzt wieder an meine Geschichte und bessere Charaktere und Plot nach. Und du – du machst diese Fehler erst gar nicht!

 

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