Eine tolle Möglichkeit, Romanfiguren einzuordnen und weiterzuentwickeln!

Eine tolle Möglichkeit, Romanfiguren einzuordnen und weiterzuentwickeln

Als ich im diesjährigen NaNoWriMo mal wieder über meinen Romanfiguren verzweifelt bin, bin ich auf eine interessante Möglichkeit gestoßen, wie man seine Charaktere noch besser ausfeilen kann – nämlich mit Hilfe des Myers-Briggs-Typenindikators.

Was ist der Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI)?

Er wurde von Katherine Cook Briggs und ihrer Tochter Isabel Briggs Myers entwickelt, basiert auf den psychologischen Typen von Jung und ist vor allem in den USA sehr populär. Dort wird er in allen möglichen Situationen, z.B. bei Eignungstests von Firmen, eingesetzt. Er ist allerdings recht umstritten, aber darum geht es gar nicht.

Für uns Autorinnen und Autoren ist er höchst interessant aufgrund der Einteilung von Persönlichkeiten in 16 Typen – das bedeutet zwar, die Romanfiguren in ’nur‘ 16 Schubladen zu stecken, aber sie werden dadurch greifbar und anschaulich. Wenn man wie ich damals in der Charakterentwicklung steckengeblieben ist und das Gefühl hat, da fehlt doch etwas, hilft dieser Test erstaunlich weiter.

Wie funktioniert der MBTI?

Man kann den Myers-Briggs natürlich für sich selbst machen, das ist recht interessant!

Du beantwortest insgesamt 60 Fragen, brauchst dafür etwa 10-15 Minuten und am Ende kommt deine Persönlichkeit heraus – ausgedrückt in vier Buchstaben-Kombinationen.

Auf der Seite Kostenloser Persönlichkeitstest, Typ Beschreibung, Ratschläge für Beziehung und Karriere | 16Personalities kannst du loslegen.

Lies aber trotzdem mal kurz weiter, um zu verstehen, wie die 16 Persönlichkeiten zustande kommen. Das ist nämlich hinterher wichtig, wenn wir das Ganze für unsere Romanfiguren machen möchten.

Es gibt vier Klassifizierungsebenen, und davon dominiert bei jedem Menschen entweder die eine oder die andere Seite.

Konkret:

  • Motivation: I oder E : intro- oder extravertiert
  • Aufmerksamkeitsschwerpunkt: N oder S : intuitiv oder sensorisch
  • Entscheidungen: F oder T : fühlend oder denkend
  • Lebensstil: J oder P : beurteilend/planend oder wahrnehmend

Bei jedem Mensch ist die eine oder andere Eigenschaft stärker ausgeprägt – und so kommt es zu den 16 Kombinationen, ausgedrückt in 4 Buchstaben. Führt man den Test durch, bekommt man eine Buchstabenkombination wie zum Beispiel ENFP. ENFP bedeutet also, dass diese Romanfigur / diese Person extravertiert ist, intuitiv, fühlend und wahrnehmend, wie du gleich sehen wirst.

Einschränkung: Bitte bedenke immer, dass sich Menschen – ob real oder fiktiv – sicher nicht in nur 16 Schubladen stecken lassen und dieser Test nur eine Tendenz anbietet.

Das –A hinter den einzelnen Typen auf der untengenannten Webseite steht übrigens für Durchsetzungskraft und das – T für Vorsicht.

Die Buchstaben leiten sich natürlich aus dem Englischen ab, ich habe jetzt trotzdem mal die deutsche Übersetzung gelassen. Wer will, stellt sich die Seite auf das Original Englisch um. Free personality test, type descriptions, relationship and career advice | 16Personalities

Noch etwas: Die Namen wie „Debattierer“ oder „Aktivist“, die den einzelnen Buchstabencodes zugeordnet sind, halte ich zum Teil für problematisch, da sie oft schlicht nicht passen. Wenn man sich ein bisschen eingearbeitet hat, sind die Buchstaben-Kombinationen neutraler.

Auf der Internetseite findest du anschließend eine wirklich ausführliche Beschreibung der einzelnen Charaktereigenschaften des jeweiligen Typs, aufgedröselt in Stärken/Schwächen, romantische Beziehungen, Freundschaften, Elternschaft etc.

Die vier Klassifizierungsebenen im Einzelnen

Es ist wichtig, die vier Stufen zu verstehen, wenn du deine Romanfigur nur anhand der Buchstaben einordnen willst – z.B. wenn du in der Charakterentwicklung schon sehr weit bist.

Extraversion (E) versus Introversion (I)

Dies scheint auf den ersten Blick eindeutig, ist es aber bei näherer Betrachtung nicht ganz.

Denn viele Menschen verwechseln Introvertiertheit mit Schüchternheit. Das ist es nicht unbedingt, vielmehr muss man sich auf dieser Ebene anschauen, woher die Person ihre Energie herholt.

Extravertierte lieben es, von Menschen umgeben zu sein, sie schöpfen aus geselligen Anlässen Energie und gehen darin auf. Umgekehrt können sie alleine nicht viel mit sich anfangen.

Introvertierte ziehen ihre Energie aus sich selbst, aus dem Alleinsein. Sie lieben ruhige Umgebungen und bevorzugen kleine Gruppen. Sie meiden Menschen eben nicht, weil sie schüchtern sind, sondern weil sie das Gefühl haben, ihnen wird die Energie geraubt.

Intuitiv (N) versus sensorisch (S)

Hier wird geschaut, wie der Mensch Sinneseindrücke verarbeitet, wohin er seine Aufmerksamkeit richtet.

Intuitive Menschen verlassen sich mehr auf ihren sechsten Sinn und urteilen aus dem Bauch heraus.

Sensorische Menschen tragen Fakten zusammen und urteilen anhand von konkreten Beweisen.

Fühlen (F) versus Denken (T)

Wie trifft ein Mensch Entscheidungen?

Fühlende Menschen berücksichtigen die Wünsche anderer, das heißt auch, dass sie Fehler von Menschen, die sie mögen, eher verzeihen, oder dass sie auch Kompromisse eingehen, um Gefühle nicht zu verletzen. Ihre Entscheidungen basieren auf Mitgefühl und Moral.

Denkende Menschen handeln eher rational und objektiv, sie gehen analytisch vor, studieren vielleicht das Gesetz, bevor sie agieren.

Beurteilend/planend (J) versus wahrnehmend (P)

Beurteilende/planende Menschen gehen die Dinge systematisch an. Sie lieben To-Do-Listen und Kalender, treffen rasch Entscheidungen und arbeiten die Aufgaben eine nach der anderen ab.

Wahrnehmende Menschen handeln spontan und flexibel, werfen ihre Pläne über den Haufen, wenn sie neue Informationen haben. Sie warten lieber ab, bis sie genügend Informationen haben und treffen dann aus dem Bauch heraus ihre Entscheidungen.

Wie benutze ich den Test für meine Romanfiguren?

Auch ganz am Anfang, wenn man den Roman plant, weiß man mindestens einige Fragmente über den Charakter. Entweder gehst du also den Test komplett durch – aus dem Kopf deiner Figur heraus.

Oder du ermittelst zunächst die groben Eigenschaften: Deine Romanfigur soll extravertiert sein, sensorisch, fühlend und wahrnehmend. Ihr Typ wäre also ESFP. Das überprüfst du dann im Test, sprich, du führst den Test dann aus der Sicht deiner Romanfigur aus. Da sieht man schnell, ob es passt.

Wenn das Ergebnis stimmt, wunderbar. Du kannst dich jetzt in die Analyse der Webseite vertiefen. Die Eigenschaften, die besonders gut auf meine Romanfigur passen, schreibe ich mir extra auf.

Wenn das Ergebnis nicht passt, muss überlegt werden, woran es liegt. Entweder hast du eine falsche Vorstellung von deinem Charakter (soll es geben), dann kannst du die Buchstaben-Kombination natürlich dementsprechend ändern und wenn du letztlich zufrieden bist, dich der Auswertung widmen. Es könnte auch sein, dass sich die Romanfigur stark entwickelt, sodass sie am Anfang anders handeln würde als am Ende des Buches, was sich wiederum in der Ausführung des Tests widerspiegelt.

Die Ausprägung der Charaktermerkmale spielt auch eine Rolle. Nicht jeder ist eine Rampensau, kann aber dennoch als extravertiert eingestuft werden.

Hilfreich ist der Test allemal, wenn man auf die Schnelle eine glaubwürdige Nebenfigur entwickeln möchte. Für die Hauptpersonen sollte allerdings mehr Zeit verwendet werden. Wenn du wie ich bei der Entwicklung der Charaktere steckengeblieben bist, hilft dir die Rubrik Stärken/Schwächen wahrscheinlich besonders gut.

Die Analyse der einzelnen Typen

Nun liest sich die Auswertung auf der Webseite schön runter, aber du kommst nicht darum herum, sie mit Leben zu füllen.

Ein Beispiel:

Du findest heraus, dass deine Romanfigur ein „ENFP“ ist und du liest folgende Beschreibung:

„Neugierig – Wenn es um neue Ideen geht, haben Aktivisten kein Interesse daran, lange zu grübeln – sie wollen hinausgehen und Neues erleben und zögern nicht, dafür ihre Komfortzone zu verlassen.“

Jetzt bist du gefragt. In welcher Situation „beweist“ sich diese Eigenschaft? Geht deine Protagonistin nach England in eine Sprachschule und beschließt dort spontan, in England zu studieren, weil es ihr so gut gefällt?

Hier spielt „Show, don’t tell“ eine riesige Rolle. Du kannst nicht einfach behaupten, deine Romanfigur wäre neugierig. Nein, du musst es anhand von Taten, Vorlieben und Hintergrundgeschichten zeigen!

Was ist, wenn sich zwei Romanfiguren in ihren Charakteren ähneln?

Nun, kein Mensch ist wie der andere. Vielleicht sind beide fühlende (F) Typen, aber einer der beiden ist nur ganz knapp F, also lohnt es sich, beim denkenden Typ (T) vorbeizuschauen und vielleicht dort einige Eigenschaften mitzunehmen.

Eine andere Möglichkeit wäre, zum Beispiel aus der Rubrik „Stärken und Schwächen“ eine Eigenschaft besonders hervorzuheben und auszubauen – natürlich für die beiden ähnlichen Romanfiguren jeweils eine andere!

Es bietet sich darüber hinaus an, die Charaktere mit ihren Eigenschaften zu vergleichen. Welche Eigenschaften ermöglichen möglichst großes Konfliktpotential? Oder dass zwei Liebende zusammenfinden können? Hier wären ähnliche Typen gut miteinander aufgehoben, denn bekanntlicherweise zieht sich gleich und gleich ja an …

Fazit

Der Test kann gut genutzt werden, um die Romanfiguren besser kennenzulernen. Oftmals wird in Schreibratgebern vorgeschlagen, seine Figuren zu „interviewen“, um mehr über sie herauszufinden. Ich finde, der Test hilft auf ähnliche Weise, weil man lernt, wie sie in bestimmten Situationen reagieren würden.

Wie ich aber oben schon sagte, braucht es trotz der seitenlangen Charakterbeschreibungen Eigeninitiative vom Autor, der Romanfigur Leben einzuhauchen. Als Basis eignet sich der Test jedoch gut.

Gib deinen Namen und deine Email-Adresse an. Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht!. Name and Email fields are required