Bevor du loslegst mit deiner Geschichte, sollten wir vielleicht noch kurz einmal klären, was eine Prämisse ist. Die Prämisse deiner Story ist sehr wichtig, denn sie stellt quasi eine Behauptung auf, die du dann an den Leser vermittelst.
Es ist echt ein bisschen schwer zu erklären, was eine Prämisse ist. Es liegt auch ein wenig daran, dass jeder das ein wenig anders versteht und erklärt. Lajos Egri prägte diesen Begriff in seinem berühmten Werk Dramatisches Schreiben.
Ich habe auch ein wenig gebraucht, bis ich das mit der Prämisse kapiert hatte. Also mach dir nichts draus, wenn du es nicht gleich verstehst, denn meistens ergibt sie sich in einer Geschichte von selbst, sprich, wir wenden ganz unbewusst eine an, auch ohne zu wissen, dass es sie gibt und was sie ist. Trotzdem ist es natürlich gut, wenn man versteht, was das ist, denn das kann den Schreibprozess enorm unterstützen.
Ist eine Prämisse die Moral meiner Geschichte?
Jetzt kannst du natürlich einwenden: Ich will doch gar keine Botschaft rüberbringen, ich will einfach nur unterhalten!
Hier verwechselst du die Prämisse mit der Moral einer Geschichte. Klar kann man aus manchen Romanen auch was lernen und sie transportieren manchmal gewisse Wertmaßstäbe, aber sie müssen das nicht. Romane sollten vor allem dem Leser ein paar vergnügliche Stunden bereiten und ihn fesseln, sonst legt er das Buch wieder weg.
Die Prämisse muss weder moralisch korrekt sein noch muss sie dem Leser irgendeine Weisheit vermitteln. Das ist also nicht gemeint! Aber lies mal weiter, dann verstehst du vielleicht besser, von was ich rede.
HIer an der Stelle halten wir fest, du kannst also ruhig unterhaltend schreiben.
Trotzdem wird deine Geschichte im Normalfall irgendeine Prämisse enthalten. James N. Frey schrieb in seinem Buch Wie man einen verdammt guten Roman schreibt : „Eine Geschichte ohne Prämisse zu schreiben ist, als wolle man ein Boot ohne Riemen rudern.“ Was er damit sagen will, ist klar: Ohne eine Prämisse geht es also gar nicht. Sie hilft dir, konsequent auf ein Ziel zuzusteuern und die Geschichte stimmig zu halten.
Aber was ist denn nun eine Prämisse?
Ich glaube, es ist Zeit für ein Beispiel 🙂
Schreibst du über eine Frau, die hartnäckig um ihre Ehe mit einem notorischen Fremdgeher kämpft und ihn am Ende zurückgewinnt, würde die Prämisse lauten:
Hartnäckigkeit führt zur Rettung einer Ehe.
Merke aber, dass die Prämisse hier nur für diese ganz spezielle Geschichte gilt! Daraus lässt sich keine allgemeingültige Regel ableiten, also dass jetzt alle Frauen, die das Buch lesen, denken, ach ja, wenn ich um meinen Mann kämpfe, werde ich ihn am Ende zurückgewinnen. Nein.
Du könntest die Geschichte nämlich auch anders schreiben. Gehen wir das Ganze umgekehrt an, nehmen wir mal die Prämisse:
Hartnäckigkeit führt zum Scheitern einer Ehe.
Dann wird die Frau sich abstrampeln, alles tun, um ihren Mann zu halten, aber gerade diese Anstrengungen werden dazu führen, dass der Kerl schließlich endgültig abhaut.
Siehst du, wie dich die Prämisse durch den Roman leitet? Sie ist das Ziel, auf das du hinarbeitest (entweder Rettung oder Scheitern). Bei allem, was du schreibst, bei allen Dialogen, Szenen und versteckten Hinweisen hast du deine Prämisse im Kopf und richtest sie danach aus. Anhand der Prämisse kannst du Szene für Szene überprüfen, ob das, was du geschrieben hast, notwendig ist, um die Prämisse zu beweisen.
Nochmal deutlicher: Wählst du Prämisse 2 (Scheitern), so wirst du keine Szene einbauen, wie der Mann heimlich alte Fotoalben anschaut und sich in romantischen Gefühlen über den Anfang seiner Ehe ergeht. Wählst du allerdings Prämisse 1 (Rettung), so könnte eine derartige Szene durchaus Sinn machen.
Wie unterscheide ich die Prämisse vom Thema meiner Geschichte?
Eine Prämisse beschreibt in erster Linie das Verhalten der Hauptfigur. Deshalb sollte man sie nicht mit dem Thema der Geschichte verwechseln. Das Thema unserer obigen Geschichte würde bei beiden Ansätzen lauten: Ehekrise.
Das Thema beschäftigt sich mit dem Roman in seiner Ganzheit, während die Prämisse sich auf die Hauptfigur konzentriert und somit wesentlich konkreter ist.
Oben genannter Lajos Egri hat dafür eine Formel genannt, die lautet:
Hauptfigur + Konflikt = Lösung.
Wenn du die Prämisse deiner Geschichte finden willst, so überlege, wie deine Hauptfigur am Anfang ist, welche Eigenschaften sie aufweist bzw. aufweisen muss, um am Ende zu deiner gewünschten Lösung der Geschichte zu kommen. Alles zwischendrin, die Handlung, behandelt den zentralen Konflikt deiner Figur und muss am Ende zur Lösung führen.
Übrigens, wenn du deine Prämisse nach der Formel von Lajos Egri formulieren möchtest, verwende ruhig das Wörtchen führt zu, um den Konflikt zu beschreiben. Also Hartnäckigkeit führt zu…
(einen Konflikt mit führt zu zu beschreiben, ist natürlich etwas weit hergeholt. Aber da du den Mittelteil der Geschichte frei wählen kannst – was die Frau alles anstellt, um ihren Mann zu halten -, ist dieses führt zu völlig okay. Es geht ja nur darum, die Prämisse zu finden.)
Der Anfang (Hauptfigur) ist die Eigenschaft deiner Hauptfigur,, nämlich Hartnäckigkeit, und Scheitern bzw. Rettung beschreibt die Lösung deiner Geschichte.
Und schon hast du deine Prämisse stehen. Hartnäckigkeit führt zum Scheitern/zur Rettung einer Ehe.