Wie du subtile Formen des show, don’t tell erkennst

wie du subtile Formen des show don't tell erkennst
„Show, don’t tell”, davon hat sicher jeder Autor schon einmal gehört, und die meisten werden sich zumindest auch grob etwas darunter vorstellen können (falls nicht, lies gerne einmal hier).
Allerdings gibt es auch ziemlich subtile Formen des „tell”, die vor allem Anfängern nicht sofort ins Auge springen. In diesem Blogartikel soll es darum gehen, wie man diese erkennt.
An dieser Stelle sei Simone Harland und ihr geniales Ebook erwähnt, die sich wirklich umfassend mit „show, don’t tell” befasst hat. Einige Tipps habe ich von diesem Buch und ich kann jedem nur empfehlen, einen Blick hineinzuwerfen. Man bekommt auch fantastische Schreibübungen, die einem sofort Lust machen, sie auszuprobieren, und natürlich jede Menge weitere Tipps rund um das verflixte  „show, don’t tell”.

 

Um-zu-Konstruktionen

Zeigt an, dass eine Figur beabsichtigt, etwas zu tun, aber in diesem Satz geschieht nicht wirklich etwas. Reißt also den Leser aus dem Text.
Es ist ganz entscheidend, ob deine Figur vielleicht in ihrem Tun innehält, um etwas zu planen oder zu überdenken. Dann ist es okay, wenn die Handlung hier stockt. Herrscht allerdings gerade Action  und ein rasches Tempo der Handlung, so sind um…zu – Sätze eher ungeschickt.
Die Verben „beginnen” oder „versuchen” verlangen zum Beispiel eine „um – zu”-Konstruktion. Es wird ziemlich umständlich eine Absicht ausgedrückt. Wenn die Handlung fließen soll, solltest du solche Satzkonstruktionen vermeiden.

Abschreckendes Beispiel:

Felix begann, seine Sachen zusammenzuraffen, um rechtzeitig vor den Eistrollen fliehen zu können.
Klingt, als hätte er alle Zeit der Welt.
Besser:
Felix raffte seine Sachen zusammen.

 

Als (zeitlich) / in dem Moment als

Beim Testen der Stilanalyse beim Schreibprogramm Papyrus, markierte es mir ständig Sätze mit „als”. Als Erklärung stand da in etwa: Ist die zeitliche Abfolge wirklich wichtig?
Was ist mit zeitlicher Abfolge gemeint? Mit „als” möchte der Autor ausdrücken, dass eine Handlung stattfindet und gleichzeitig eine andere beginnt.

Als der Eistroll um die Ecke gestürmt kam, nahm Felix die Beine in die Hand.

Noch ungeschickter könnte man es auch so formulieren:
Felix nahm die Beine in die Hand, als der Eistroll um die Ecke gestürmt kam.
Leider ist diese Satzkonstruktion noch viel schlimmer als die erste, denn hier stimmt die zeitliche Abfolge nicht. Dadurch muss der Leser erst nachdenken, bevor er den Sinn des Satzes kapiert und wird so aus dem Lesefluss gerissen. Eine ähnliche Konstruktion hatten wir schon bei den Inquits, wo wir nicht zuerst ausdrücken sollten, wie etwas gesagt wird und dann die wörtliche Rede folgt.
Als-Konstruktionen sind oft unnötig und der Satz klingt unmittelbarer und temporeicher ohne „als”. Man kann sie meist ganz einfach mit „und” auflösen.
Der Eistroll kam um die Ecke gestürmt und Felix nahm die Beine in die Hand.

 

Bemerken, feststellen, sehen, denken, hoffen, sich wundern und ähnliche Verben

Benutzt ein Autor die Verben „bemerken”, „feststellen”, „sehen” , „denken” und so weiter, so spricht der Autor selbst zum Leser, statt dies seine Figuren tun zu lassen.
Also etwa : Felix bemerkte, dass der Eistroll seine Axt etwas tiefer hielt.
Die Autorin (also ich, hehe) schildert hier aus ihrer Sicht, was Felix sieht, statt Felix selbst zu Wort kommen zu lassen. Würde sie komplett in Felix’ Haut schlüpfen, müsste sich der Satz anders anhören, etwa so:
Felix erstarrte. Der Eistroll hielt seine Axt tiefer.
Wenn eine Geschichte konsequent personal erzählt wird, hier also aus Felix’ Sichtweise, dürften auch Verben wie „denken” nicht vorkommen:
Felix dachte daran, wie sehr er seine Eltern vermisste.
Besser einfach schreiben: Felix vermisste seine Eltern.
Auch solche Konstruktionen braucht man nicht: Felix wunderte sich über Laurin. Warum setzte er sich nicht für ihn ein?
Lass einfach den ersten Satz weg. Durch die Frage, die folgt, weiß der Leser auch so schon, dass Felix sich wundert. Das muss man ihm nicht extra noch sagen.
Natürlich ist es für angehende Autoren nicht einfach, darauf zu vertrauen, dass der Leser versteht, was man sagen möchte. Oft fühlt man sich genötigt, Erklärungen anzubringen wie „Felix wunderte sich über Laurin.”  Aber mit ein bisschen Augenmerk auf diese Art Formulierungen lernt man schnell, dass sie wirklich unnötig sind. Versuch sie aus deinem Text zu streichen und lies ihn anschließend noch einmal aufmerksam durch. Bestimmt wirst du nichts dabei vermissen und der Text gewinnt an Unmittelbarkeit.

 

Kreative Sprecherverben

Damit sind Inquit-Formeln (mehr über Inquit-Formeln und was man dabei falsch machen kann, findest du hier) wie „brummte”, „jauchzte” und ähnliche gemeint. Streng genommen schreiben sie dem Leser vor, wie er das, was die Figur sagt, zu verstehen hat. Natürlich ist das nicht immer verboten (verboten ist sowieso nichts beim Schreiben), aber bemühe dich lieber, durch einen starken Dialog auszudrücken, wie jemand etwas sagt, anstatt es ihm zu erzählen.
„Du blöder Idiot!” Annas Augen quollen ihr fast aus den Höhlen, als sie ihn am Kragen packte.
„Du blöder Idiot!”, brüllte Anna.
Na, wo läuft das Kopfkino mehr?
Ich schätze mal, im ersten Fall. Aber es muss auch gar nicht so ein drastisches Beispiel wie das von Anna sein. Einfach „sagen” oder „fragen” reicht meistens aus, wenn der Dialog entsprechend aufschlussreich aufgebaut ist.

 

Adjektive und Adverbien

Warum du jedes Adjektiv (und auch die Adverbien) kritisch unter die Lupe nehmen solltest, erfährst du hier. Wenn ich schreibe: Felix trat ängstlich einen Schritt vor, so behaupte ich einfach, dass er sich ängstlich fühlt. Wenn ich stattdessen schreibe: Felix’ Herz wummerte, als er einen Schritt vortrat, so zeige ich dem Leser seine körperlichen Reaktionen, anhand derer er sich selbst ein Bild machen kann.

 

Eine abschließende Bemerkung

Trotz aller mahnenden Stimmen, auf keinen Fall zu viel „tell” zu benutzen, ist es manchmal eben doch angebracht. Manchmal hört es sich einfach seltsam oder gesteift an, wenn man krampfhaft bemüht ist, jegliches „tell” zu vermeiden. In einigen Fällen ist es nicht zu vermeiden, dass eine Figur „denkt”, „fühlt”, „wütend ist” oder man kommt einfach nicht um eine „um-zu”- oder „als-”Konstruktion herum.
Ich habe mal an der Pädagogischen Hochschule studiert. Wenn Grundschüler, die die Rechtschreibung erlernen müssen, erfahren, dass man bestimmte Worte mit „v“ schreibt statt mit „f“, schreiben sie plötzlich alle Worte (auch die, die sie schon richtig gelernt haben) mit „v“. Also Vlöte, Visch, sie viel die Treppe hinunter und so weiter.
Genauso ist es wahrscheinlich mit dem show, don’t tell. Lernt man, dass man tell möglichst vermeiden soll, so schreibt man plötzlich alles im show.

 

Na ja. Es wird sich hoffentlich einpendeln. Auch die Grundschüler lernen irgendwann wieder, dass man „viel“ mal so und mal so schreiben muss.

 

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