Vor zwei Wochen habe ich überlegt, wie man eine Figur so richtig sympathisch gestalten kann. Und natürlich gibt es auch das Gegenteil. Wie man einen wirklich bösen Antagonisten kreiert. Doch bevor wir uns dieser Frage widmen, sollten wir uns zunächst einmal überlegen, was das eigentlich ist, so ein Antagonist.
Der Antagonist ist der „Böse”. Oder?
Aber im Prinzip ist der Antagonist einfach nur derjenige (manchmal auch dasjenige), was den Helden daran hindert, seine Ziele zu erreichen. Einfach, weil seine eigenen Ziele denen des Protagonisten entgegenstehen. Und dazu muss der Antagonist nicht zwingend der Böse sein.
Wichtig: Es ist wichtig zu verstehen, dass ein Antagonist nicht unbedingt ein Bösewicht sein muss!
Welche Rollen kann der Antagonist einnehmen?
- erstmal natürlich eine Person. Ein Feind, der klassische Bösewicht oder einfach der Gegenspieler
- Der Protagonist steht sich selbst im Weg. Z.B. müssen schlechte Charaktereigenschaften oder Ängste überwunden werden. Oder aber Traumata überwunden werden, die er einmal erlebt hat.
- Der Antagonist kann auch eine Organisation oder Herrschaftsform, Gruppierung, Clan usw. sein.
- Unwetter, Katastrophen, sprich, die Natur als Antagonist
Im Prinzip kann eine geschickte Autorin alles Mögliche – Menschen, Gefühle, Umgebungen, Situationen, auslösende Gegenstände, … – als Gegenspieler zurechtstricken, was dem Helden daran hindert, sein Ziel zu erreichen.
Der Feind
Ein schlimmer Fehler, wie mir scheint. Denn ohne Antagonist keine Geschichte. Ist es nicht ziemlich unbefriedigend, wenn man eine interessante Geschichte liest mit einer tollen Hauptfigur, aber der Schurke ist einfach nur ein platter Schurke, mal eben so dahingeklatscht, damit der Protagonist nur nicht so leicht ans Ziel kommt? Ein Bösewicht, der einfach nur böse ist, ohne ersichtlichen Grund? Der „einfach so” die Welt vernichten will? Man braucht ihn halt, den Anta. Aber wenn man ihn nur widerwillig erschafft, ihm keine Aufmerksamkeit widmet, dann wird das nichts.
Der Antagonist ist genauso wichtig wie der Protagonist!
Deshalb sollte man auf seine Entwicklung mindestens genauso viel Sorgfalt verwenden. Der Leser sollte das Gefühl haben, hier handelt eine echte Person mit – wenn auch vielleicht schräger – Überzeugung. Vielleicht kann man ihre Beweggründe sogar in gewisser Weise nachvollziehen.
Tipps, um einen einzigartigen Antagonisten zu schaffen
Als Autorin sollte man sich fragen, warum er so denkt. Wie ist er so geworden, was bewegt ihn, was treibt ihn zu seinen Handlungen? Warum macht er es deiner Hauptfigur so schwer? Ein guter Antagonist ist eine vielschichtige Persönlichkeit, die durch ihre Handlungen deinen Protagonisten dazu veranlasst, über sich hinauszuwachsen und ihm dadurch überhaupt erst die Möglichkeit gibt, sich zu entwickeln.
Erster Tipp: Wähle als Antagonisten möglichst eine Person
Einen Trick gibt es dennoch, wenn du damit spielst, eine korrupte Regierung oder etwas ähnliches als Antagonisten auftreten zu lassen: Mach es wie Suzanne Collins, die in ihren Romanen „Die Tribute von Panem” zwar eine äußerst skrupellose Regierung als Antagonisten entworfen hat. Aber sie hat dieser Regierung mit Präsident Snow ein Gesicht gegeben. Er ist die Person, die diese Regierung vertritt und somit zum Antihelden wird. Ihn können Katniss und der Leser wunderbar verabscheuen.
Zweiter Tipp: Gib dem Antagonisten eine Vergangenheit, die seine Motivation erklärt
Idealerweise bringst du diese Vergangenheit des Antagonisten stückchenweise in die Geschichte ein – das macht es spannender und beschert dem Leser einige „Ach, so ist das!”-Momente.
Dritter Tipp: Gib dem Antagonisten ein paar sympathische Eigenschaften mit
Genau wie der Protagonist sollte der Antagonist möglichst dreidimensional entworfen werden. Wenn der Leser das Gefühl hat, das könnte ein echter Mensch sein, ist alles in Ordnung. Und das kriegen wir hin, indem wir ihn beispielsweise ein Tier retten lassen, in einem unerwarteten Moment Mitleid oder Hilfsbereitschaft zeigen lassen oder ihn sein Kind abgöttisch lieben lassen. Na, etwas in der Art eben.
Wo Schatten ist, ist nämlich irgendwo auch Licht, und nur Schwarz-Weiß wirkt schnell klischeehaft. Eine gewisse Sympathie für den Antagonisten lässt den Leser nämlich wirklich über die Geschichte und die Handlung nachdenken – und genau das wollen wir ja erreichen.
Vierter Tipp: Der Antagonist fühlt sich im Recht
Was man als Autorin gut umsetzen sollte: Der Antagonist fühlt sich im Recht. Denke an das Beispiel von oben: Aus der Perspektive des Antagonisten ist der Prota der Zerstörer einer idyllischen Natur. Dass er dann zu moralisch fragwürdigen Methoden greift, mag er sich damit erklären, dass der Zweck die Mittel heiligt. Aus seiner Sicht ist er der „Gute”, derjenige, der recht hat. Seine moralische Haltung ist daher anders als die des Protagonisten, er ist völlig überzeugt davon, dass er aus guten Gründen tötet, stiehlt, entführt und verletzt. Das ist ganz besonders wichtig, wenn du dich dazu entschließt, Szenen aus der Sicht des Bösewichts zu schildern. Wenn es gelingt, dieses entschlossene Handeln des Antagonisten überzeugend darzustellen, ist schon viel gewonnen.
Fünfter Tipp: Mach deinen Antagonisten mindestens gleich stark wie deinen Helden
Trotzdem wollte ich es mal erwähnt haben, denn ich habe auch schon Bücher gelesen, wo der Antiheld eigentlich ein schmächtiger Dummkopf war. Und trotzdem hat der Held eine Ewigkeit gebraucht, diesen Schwächling unterzukriegen. Nein, das wirkt unglaubwürdig und lässt den Leser am Verstand deines Helden zweifeln.
Schlussfolgerung
Ein Antagonist, der den Lesern im Gedächtnis bleiben soll, ist also nicht zwangsläufig böse. Wir Autoren sollten ihn genauso vielschichtig erschaffen wie den Protagonisten und seine Motivation genauso logisch darstellen wie die des Helden.