Sieben Tipps, um den Antagonisten so richtig böse zu machen

Antagonist Verbrecher

Den richtig bösen Antagonisten erschaffen

Im letzten Artikel befassten wir uns damit, wie man einen glaubwürdigen Antagonisten entwirft. Dass ein Antagonist nicht unbedingt zu 100 Prozent böse sein muss, dürfte klar geworden sein. Aber welche Punkte machen einen Antagonisten so richtig abgrundtief böse?
Das Gemeine an den Bösewichten ist, dass sie oftmals unabsichtlich (?) interessanter für den Leser rüberkommen als der Held. Ich denke da zum Beispiel an Long John Silver aus der „Schatzinsel”. Ehrlich gesagt, ist mir sogar der Name des Helden entfallen, aber der böse Antagonist ist mir im Gedächtnis geblieben.
Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass ein Bösewicht per se Ecken und Kanten besitzt. Sprich, die Autorin stattet ihn von vorneherein mit schlimmen Eigenschaften aus. Das kann unseren Abscheu erregen, hat aber auf jeden Fall das Potential, in unserem Gedächtnis verankert zu bleiben (sofern er ein gut entwickelter Bösewicht ist, natürlich. Also eine Figur mit schrecklichen Charaktereigenschaften, aber auch mit menschlichen. Denn wie im vorhergehenden Artikel erwähnt, ist kein Mensch ausschließlich böse oder gut).
Da wir aber einen richtig bösen Antagonisten entwerfen wollen, werden wir ihn nicht mit allzu guten Eigenschaften ausstatten. Zumindest sollten sie nicht so sehr betont werden. Hier müssen wir aufpassen, nicht allzu viel Verständnis vonseiten der Leser zu wecken, sonst bewirken wir das Gegenteil von dem, was wir wollen. Wir wollen, dass die Leser unseren Antagonisten HASSEN.
Bitte beachte bei diesem Artikel, dass es in den meisten Fällen nicht sinnvoll ist, einen ausschließlich bösen Antagonisten zu erschaffen. Ich möchte hier nur die Möglichkeiten erwägen, wie man ihn richtig böse hinkriegen könnte. Derartige Bösewichte wirken oft nicht mehr menschlich, die Leser können nichts Sympathisches mehr an ihnen finden und wollen es auch nicht. Picke dir aus diesen Tipps einfach die heraus, die dir beim Erschaffen deines Antagonisten helfen.

Erster Tipp: Pass auf, dass du die Hintergrundgeschichte des Antagonisten nicht zu rührselig gestaltest.

Wie im letzten Artikel dargelegt, hat ein gut ausgearbeiteter Bösewicht ein Motiv. Warum ist er böse? Die Antwort bietet in der Regel seine Vergangenheit. Aber …
… wenn du dich jetzt hinsetzt und eine tragische Kindheit für ihn ausdenkst, könnte es sein, dass einige Leser ihn plötzlich total verstehen und sich auf seine Seite schlagen.
Also was tun?
Deute seine traurige Vergangenheit eventuell nur an. Mache klar, dass seine schlimmen Seiten überwiegen. Das Prinzip dahinter ist: Was wir nicht kennen, das hassen wir. Bestimmt hast du schon mal richtig gehässig über jemanden gelästert. Dich über ihn aufgeregt. Ihn gehasst. Aber verstehen wir die Motive dahinter, ändert das oft unsere Sichtweise. Plötzlich wird einiges klar…
Hier ist ein wenig Fingerspitzengefühl gefragt.

Zweiter Tipp: Lass den Antagonisten etwas tun, was ihm die Leser nicht verzeihen

Hier kannst du deine dunklen Fantasien ausleben. Was würde deine Zielgruppe niemals verzeihen? Zum Beispiel, indem sie deine Heldin angreifen. DAS dürfte den Lesern nicht egal sein, wenn du die Hauptperson sympathisch gestaltet hast, sprich, die Leser sich mit ihr identifizieren.
Wenn der Antagonist irgendeine Katze, die ihm über den Weg läuft, aus Spaß am Töten erschießt, erregt das natürlich das Entsetzen des Lesers, aber stark berühren tut es ihn nicht. Foltert er aber das innig geliebte Haustier der Protagonistin zu Tode und trifft sie damit ins Herz, so ist das schon eine ganz andere Nummer.
Es muss hier nicht einmal brutale Gewalt sein, auch Verunglimpfungen, Rassismus, Sexismus, Demütigungen und so weiter können den Leser besonders auf die Barrikade bringen, wenn es eine Figur betrifft, die er mag.
Denke dir eine Szene aus, die die Grausamkeit deines Antagonisten deutlich zeigt. Greife hier unbedingt auf die Technik des show, don’t tell zurück, um den Leser diese Boshaftigkeit wie in einem Kinofilm vor seinem inneren Auge entstehen zu lassen.

Dritter Tipp: Sei vorsichtig mit psychisch gestörten Antagonisten

Wie oben schon bei Punkt 1 erwähnt: Verständnis für die Motive eines Antagonisten KANN zu Sympathie führen. Die Handlungsweise eines psychisch gestörten Menschen kann man aber oft nicht nachvollziehen. Daher scheinen sie sich wunderbar als Antagonist zu eignen. Für die Handlung eines Psychopathen bringt doch sicher niemand Verständnis auf? Lasst es uns mal genauer betrachten.
In Krimis und Thriller findet man oft psychisch gestörte Menschen, die zu Tätern werden. Sie werden oft entnervend grausam dargestellt und ihr Handeln weckt Irritation und Abscheu, eben weil man ihre Taten nicht einordnen kann. Der Antagonist handelt aufgrund einer psychischen Störung grausam und böse, und es gibt keinerlei Erklärung dazu, außer dass sie eben „krank” sind.
Ich kann mir nicht helfen, meine persönliche Meinung zu psychisch gestörten Antagonisten ist, dass sie zwar in Krimis und Thrillern durchaus ihre Berechtigung haben, denn es scheint tatsächlich so zu sein, dass man es in diesem Metier häufiger mit solchen Menschen zu tun bekommt. Aber das war es dann auch. In anderen Genres hinterlässt so eine „einfache” Lösung eher einen faden Beigeschmack. Oder wie ist deine Meinung dazu? Natürlich kommt es auch auf das Geschick des Autors an, so eine Person darzustellen. Es besteht durchaus die Gefahr, einen platten Bösewicht zu erschaffen, der einfach nur böse ist und sonst nichts. Als Erklärung bieten wir nur die kaputte Psyche. Hm.
Noch dazu kommt, dass ein solcher Psychopath gleich die Entschuldigung für sein Handeln mitbringt: Er ist eben psychisch gestört, er kann nicht anders … das nimmt in einigen Fällen sicher auch die Schärfe heraus. Ein Antagonist, der in vollem Bewusstsein handelt, wirkt noch einmal gefährlicher.

Vierter Tipp: Schon einmal an Maschinen gedacht?

Maschinen haben kein Bewusstsein. Daher braucht man sich keine Gedanken über ihre Motive zu machen. Sie tun einfach das, wofür sie hergestellt wurden. Ein Roboter kann durchaus einen brauchbaren „bösen” Antagonisten hergeben – allerdings könnte sich dann die Frage, wer denn nun für all das Böse verantwortlich ist, das der Roboter anrichtet, auf den- oder diejenigen verschieben, die ihn erschaffen haben. Sind diese Menschen dann „böse”? Andererseits könnte es ja auch ein Programmierfehler sein, sodass sich die Schuldfrage erübrigt.
Genauso können Aliens oder Monster böse Antagonisten darstellen – wer kennt sich schon in ihren Gedankengängen aus? Der Nachteil hier ist nur, dass diese Art der bösen Antagonisten nur für wenige Genres funktioniert. Etwa Science-Fiction oder Horror, und auch hier gilt, dass Bösewichte, wenn sie nicht nachvollziehbar handeln, unberechenbar wirken. Diese Sinnlosig- und Kaltblütigkeit macht natürlich den Schrecken und die Gruseligkeit solcher Erzählungen aus.

Fünfter Tipp: Mach die Boshaftigkeit des Antagonisten erkennbar

Natürlich besteht hier immer die Gefahr, in die Klischeeschublade zu greifen. Aber grundsätzlich gibt es hier zwei Möglichkeiten.

Die erste wäre, den Bösewicht auch äußerlich sofort bedrohlich wirken zu lassen. Du könntest ihn hier mit einer gewaltigen Gestalt, Narben und/ oder schwarzer unheilvoll wirkender Bekleidung ausstatten. Oder was dir sonst noch so einfällt.

Die zweite Möglichkeit wäre, ihn optisch unauffällig zu kreieren. Die Bösartigkeit eines solchen Antagonisten kommt dann völlig überraschend, was noch mehr Gruseleffekt beim Leser hervorrufen kann.
Spätestens bei der ersten bösen Tat offenbart sich auch optisch die Grausamkeit eines „normal” ausgestatteten Antagonisten. Beim äußerlich erkennbaren Bösewicht sowieso. Dies kannst du zeigen, indem du Mimik, Gestik, Wortwahl und Sprache anpasst, also grimmige oder eiskalte Miene, finsterer Blick, bedrohlich wirkende Gesten, Gebrüll, Bedrohungen, Fluchen, Beschimpfungen, überhaupt Aggression in allen Bereichen.
Wenn du eine solche Szene schreibst, stelle dir vor, eine Kamera würde auf deinen Bösewicht gerichtet. Was fällt dir sofort ins Auge, was wirkt am bedrohlichsten? Dann fließen die Worte meist wie von allein …

Sechster Tipp: Verzichte auf eine Perspektive für den Bösewicht

Diesen Tipp gilt es abzuwägen. Wenn du darauf verzichtest, ihm eine Perspektive zu geben, entsteht automatisch eine Distanz zwischen Leser und Antagonist. Das kann von Vorteil sein, denn je weniger von seinen Gedankengängen die Leser kennen, desto unbegreiflicher und daher auch grausamer erscheint ihnen sein Handeln.

Siebter Tipp: Nutze show, don’t tell

Dieser Tipp ist eigentlich selbstverständlich, trotzdem möchte ich hier noch ein paar Worte dazu sagen. Es ist einfach wichtig, nicht nur zu schreiben, dass dein Gegenspieler böse ist, sondern es zu zeigen. Denk dir unbedingt Szenen aus, die ganz genau die Grausamkeit des Bösewichts hervorstellen. Lass deine Leser einen Film vor ihrem inneren Auge ablaufen, lass sie mitfiebern, ob es der böse Ehemann schafft, das Gift in das Wasserglas seiner Gattin zu werfen.

Fazit

Ich denke, dass man einen zu 100 Prozent bösen Charakter nicht entwickeln kann, ohne ihn psychisch total zerstört darzustellen. Und das brauchen wir auch gar nicht. Ein richtig hassenswerter Bösewicht ist immer noch eine Figur, die der Autor dreidimensional und lebendig erschafft.

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