Figurenbeschreibung – so steigst du ein

Figurenbeschreibung so steigst du ein

Teil 1: Die Einführung des Protagonisten

 

Warum ist besonders der Anfang so wichtig?

Dein Ziel als Autor ist es, dass die Leser deines Buches eine emotionale Beziehung zu deiner Hauptfigur aufbauen. Wenn die Leser deine Figur mögen, lesen sie weiter.
Wenn also deine Hauptfigur die Bühne betritt, entscheidet der erste Eindruck, ob sie sympathisch wirkt oder nicht. Der erste Funke muss überspringen, dann hast du als Autor die Chance, ihn mit einer spannenden Handlung weiter ans Buch zu fesseln.
Am besten zeigst du also deinen Leserinnen gleich zu Beginn, warum dein Hauptcharakter einfach toll und liebenswert ist.

 

Führe deinen Protagonisten samt den Konflikt früh ein

Interessanterweise habe ich schon mehrere noch nicht veröffentlichte Romane testgelesen, bei denen am Anfang irgendeine andere Figur im Vordergrund steht. Die, wie sich später herausstellte, nur eine nebensächliche Rolle spielt (und das waren keine Prologe, die wären noch einmal anders zu behandeln).
Diese Vorgehensweise halte ich für problematisch. Mich jedenfalls hat es verwirrt, weil ich mich ernsthaft gefragt habe, mit wem ich denn nun mitfiebern soll. Keine Ahnung, ob das nun Zufall war oder ein Phänomen, zu dem nicht ganz so erfahrene Autoren neigen?
Besser ist es, gleich in der Anfangsszene deine Protagonistin einzuführen. So weiß man gleich, mit wem man es die nächsten zwei- bis vierhundert Seiten zu tun hat.

 

Am Anfang erwünscht: viel Emotion

Und weil deine Leserinnen auf jeden Fall atemlos weiterlesen sollen, wirfst du deinen Protagonisten am besten gleich am Romananfang in eine emotional aufgeladene Situation. Lass ihn gleich zu Beginn etwas erleben, was starke Gefühle bei deinen Leserinnen hochkocht.
Und jetzt überlege dir einmal, mit wem du mehr mitfieberst: Mit einer Figur, die überschäumend glücklich ist, weil sie gerade im Lotto gewonnen hat, oder mit einer Figur, die schockstarr ist, weil sie gerade einen furchtbaren Verkehrsunfall mitansehen musste, bei dem ihr bester Freund ums Leben kam.
Ich schätze mal, es ist die zweite Situation. Bei einer Figur, die etwas Negatives erlebt, fühlen wir mit und bedauern sie, während wir bei der Figur, die etwas Wunderbares erlebt, das Gefühl haben, okay, die ist glücklich und das war es dann. Vielleicht sind wir sogar neidisch 🙂 Zusätzlich haben wir das Gefühl, dass der Konflikt fehlt, was natürlich ganz fatal ist.
Also lass deinen Protagonisten gleich in der ersten Szene etwas Schlimmes erleben, etwas Angsteinflößendes, Erniedrigendes, Beschämendes oder Schockierendes.

 

Teil 2: Die Einführung von Figuren allgemein

 

Die Figurenbeschreibung

Nachdem wir nun besprochen haben, dass wir die Protagonistin möglichst gleich zu Beginn auftreten lassen und das  in einer emotional aufreibenden Szenerie, wollen wir uns nun ganz allgemein anschauen, wie man Figuren einführen kann.
Viele Schreibanfänger führen neue Charaktere mit einer Figurenbeschreibung in die Geschichte ein. Also etwa:
Joel war zwanzig Jahre alt und beeindruckend groß. Er trug verwaschene Jeans mit einigen lässigen Löchern darin und schwarze Springerstiefel. Sein Kopf war an den Seiten rasiert und nur in der Mitte seines Schädels standen seine gegelten schwarzen Haare wie ein Hahnenkamm in die Höhe.
Und in dem Ton kann es noch weitergehen.

 

Warum ist diese Vorgehensweise eher schlecht?

Nun, wenn wir ehrlich sind, hört sich das eher nach einer Fahndungsmeldung an als nach einer Einführung einer Romanfigur. Eine seitenlange Beschreibung einer Person reißt den Leser zusätzlich aus der Geschichte heraus.
Und ist es überhaupt nötig, eine Figur bis ins kleinste Detail zu beschreiben? Manch ein Leser macht sich gerne selbst ein Bild von seiner Lieblingsfigur, da stören solche ausführlichen Erläuterungen eher. Meist kommt es in der Geschichte eher auf die inneren Eigenschaften einer Figur an, während die Äußerlichkeiten zweitrangig sind – es sei denn, sie spielen für den Plot eine Rolle. Es könnte sein, dass dein Charakter ein Hinkebein hat und deshalb gehänselt wird. Das sollte natürlich bei der Figurenbeschreibung erwähnt werden.

 

Wie geht es besser?

Besser ist es, du zeigst die Besonderheiten deiner Figuren, anstatt die Einträge in deinem Charakterbogen herunterzuleiern. Und das machst du am besten noch so geschickt, dass du die Informationen über Joel in eine Szene verteilt einstreust.
Nach der obigen (ungeschickten) Beschreibung wissen wir außerdem noch nichts über Joels Charakter. Nehmen wir an, dass er der größte Rüpel ist, der auf dieser Welt herumläuft. Trotzdem schreiben wir natürlich nicht: Joel war rücksichtslos und rüpelhaft.
Stattdessen versuchen wir das zu zeigen, mit dem Ergebnis, dass wir einen viel bleibenderen Eindruck bei den Lesern hinterlassen.

 

Also etwa folgendermaßen:

Joel schlenderte die Straße hinunter. Ab und zu zog er die Nase hoch und spuckte auf den Boden. Den kleinen Jungen, der ihm entgegenkam, würdigte er keines Blickes. Als er ihm direkt vor die Füße lief, streifte er ihn mit seinem schwarzen Springerstiefel und rempelte ihn zu Boden. Das Geheul, das der Kleine ausstieß, veranlasste ihn zu einem breiten Grinsen. Joel pfiff durch seine gepiercten Lippen und ging mit federnden Schritten weiter.

Nun, in diesem zweiten Text entfallen einige Informationen, etwa seine Größe und sein Alter werden weggelassen. Aber anhand seines Benehmens (schlenderte, federnde Schritte) und seiner Kleidung (schwarze Springerstiefel, gepiercte Lippen) könnte man annehmen, dass er zumindest nicht allzu alt ist.
Auch die Beschreibung seiner auffallenden Frisur ist fort. Dies könnte man im Verlauf der Szene eventuell noch nachholen oder aber man überlässt es der Fantasie des Lesers, wie Joel nun haargenau aussieht 🙂
Dafür aber, und das halte ich für viel wichtiger, gewinnen wir durch die kurze Szene Einblick in Joels gefühlskalten Charakter. Und wir erhalten andere Kleinigkeiten über sein Aussehen (gepiercte Lippen).

 

Ich denke, dieser zweite Text ist deutlich besser zu lesen, und enthält ein dichtes Paket an Information, ohne den Leser aus der Geschichte zu reißen. Natürlich erfordert es ein wenig Feinarbeit, die Infos so zu verpacken und das, was einem wichtig ist, dem Leser so unterzujubeln, dass er es quasi nebenher erfährt. Aber die Lesbarkeit des Textes gewinnt deutlich und man hat von Joel ein viel intensiveres Bild vor Augen. Selbst wenn man weniger über sein konkretes Aussehen erfährt.

 

Details über die Figur nach und nach einfügen

Wenn du auf diese Weise bei deiner Figurenbeschreibung  vorgehst, wirst du die Eigenschaften und eventuell das Aussehen deiner Romanfigur nach und nach enthüllen. Man muss nicht gleich zu Beginn erfahren, wie die Protagonistin im Einzelnen aussieht und tickt. Viel spannender ist es doch, wenn ihr vollständiger Charakter allmählich zum Vorschein kommt.
Allerdings: Um mit der Figur mitfühlen zu können und sich emotional einzubringen, sollten die wesentlichen positiven Charaktereigenschaften schon relativ früh enthüllt werden.

 

Übrigens: Auch Dialoge können wunderbar eingesetzt werden, um eine Figurenbeschreibung vorzunehmen.
Joel: „Na, kleiner Pupsi? Haste deine Mami verloren? Ich bring dich ganz bestimmt nicht zurück zu ihr!”

 

Auch wenn Joel eine furchtbare Klischeefigur zu sein scheint, könnte irgendwann doch noch eine Eigenschaft herauskommen, die überrascht. Vielleicht liebt Joel seinen Hund abgöttisch? Bei jedem Konflikt, bei jedem Problem gibt deine Figur Informationen über sich preis. Es ist deine Aufgabe, ein stimmiges, abgerundetes Bild von Joel zu entwickeln. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Wie führst du deine Figuren ein?

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