7 Tipps, um einen objektiven Blick auf den eigenen Roman zu bekommen

Adlerblick
Nichts ist so schwierig wie den eigenen Roman einzuschätzen. Das merke ich immer, wenn ich andere Geschichten testlese. Da sehe ich glasklar, was zu verbessern wäre, während ich bei meinen eigenen Texten wie vernagelt dastehe und den Wald vor lauter Bäumen nicht sehe. Ist die Szene gut? Trägt sie zum Handlungsverlauf bei? Sollte ich Person X lieber rauswerfen? Manchmal ist es zum Haareausraufen. Seither weiß ich auch, was Autoren unter „Betriebsblindheit” verstehen.

 

Was also ist die Lösung?

Es gibt ein paar Möglichkeiten, wie man einen relativ objektiven Blick auf seine Geschichte bekommen kann.

 

1. Lass den Roman einige Zeit liegen

Hier sind nicht nur ein paar Tage gemeint, sondern mindestens ein paar Wochen. Ich mag mich jetzt nicht auf eine konkrete Zahl festlegen, denn da ist jeder anders gestrickt. Aber durch das Liegenlassen „vergisst” du einige Details deiner Geschichte und erlebst dann das erneute Lesen etwas mehr aus der Perspektive eines unvoreingenommenen Lesers. Na gut, ganz so unvoreingenommen wirst du nicht sein, das ist wohl unmöglich. Aber oftmals fallen einem Dinge auf, die man vorher nicht gesehen hat. Z.B. langweilige Passagen, die nicht zum Weiterlesen animieren. Infodump. Formulierungen, die kein Mensch versteht. Und so weiter.

 

2. Wie lautet die Prämisse deines Romans?

Alle Szenen und alle Dialoge deiner Geschichte sollten auf die Prämisse ausgerichtet sein. Es hilft also ungemein, wenn du sie ausformuliert hast. Die Prämisse ist quasi der rote Faden, an dem sich die Geschichte vom Anfang bis zum Ende entlanghangelt. Prüfe also jede Szene, ob sie die Prämisse beweist. Dann bist du schon ein gutes Stück weiter. Was eine Prämisse ist, kannst du hier nachlesen.

 

3. Gibt es eine Entwicklung der Hauptfigur?

Das solltest du unbedingt prüfen. Charaktere sollten sich im Verlauf der Geschichte ändern und das muss deutlich herausgearbeitet werden. Ist dein Protagonist zu Beginn der Geschichte ein nachdenklicher Träumer, so sollte er das am Ende nicht mehr sein. Hier kannst du nachlesen, was mit Entwicklung der Hauptfigur gemeint ist.
Unter diesen Punkt fällt meiner Meinung nach überhaupt die Stimmigkeit aller Charaktere. Sie sollten alle logisch und angemessen handeln. Würde Laurin das sagen? Würde er so reagieren? Überprüfe die Szenen auf diese Punkte.

 

4. In der Kürze liegt die Würze

Eine abgedroschene Phrase, aber es ist etwas Wahres dran.
  1. Textebene:
    Prüfe deine Szenen auf Schwafelei, Überflüssiges und Abschweifendes. Hat die Szene mit der Geschichte überhaupt zu tun? Jetzt nicht lachen, das ist eine ernstgemeinte Frage. Wenn sich Szenen nur aneinanderreihen, Figuren zwar lustige, aber unnötige Gespräche führen oder Dinge tun, die zwar nett zu lesen sind, aber für die eigentliche Geschichte kaum relevant sind, dann gehören sie gestrichen.
    Szenen müssen die Handlung vorantreiben!
    Du kannst das ganz einfach testen, indem du dich fragst, ob der Roman auch ohne diese Passage, ohne diese Szene, ohne diesen Charakter funktionieren würde. Wenn ja, entferne Unnötiges. Ich bin immer wieder erstaunt, wie sehr ein Text plötzlich gewinnt, wenn ich überflüssige Textstellen herauslösche. Obwohl ich vorher überzeugt war, dass der Leser das noch unbedingt erfahren muss … meistens ein Trugschluss. Was habe ich schon für tolle Szenen gelöscht – was für Früchte die Drachen essen, Szenen mit Drachen-Freunden – hach, so schön … aber nur für mich. Für alle anderen ist es Infodump, der kein Stück zur Geschichte beträgt.
  2. Wortebene
    Wiederholungen veranlassen zum Gähnen. Das geht vom Löschen ganzer Kapitel bis hinunter zum Löschen von unnötigen Füllwörtern. Füllwörter, das sind diese unnötigen Wörter, die ganze Sätze mordsmäßig aufblähen können, wie ziemlich, nämlich, überhaupt, noch, …
    Und dies führt gleich zum nächsten Tipp:

 

5. Lass dir den Text vorlesen

Ich empfehle dir dringend, dir den Text von Word vorlesen zu lassen – das ist so eine geniale Sache! So entlarvst du aufgeblähte oder holprige Stellen schnell, zumindest auf der untersten, der Wortebene.
Auch Dialoge kann man so wunderbar auf Stimmigkeit prüfen.
Natürlich kannst du auch selbst lesen – dann aber bitte laut und konzentriert. Laut lesen ist unheimlich wichtig, du wirst es merken, wenn du es ausprobierst. Plötzlich hören sich Textstellen total seltsam an, über die man vorher einfach still hinweggelesen hat.
Probiere die Vorlese-Funktion unbedingt aus 🙂

 

6. Ist der Spannungsbogen der Geschichte gut?

Meist ist der Anfang einer Geschichte gut gelungen und gegen Ende nimmt die Spannung Fahrt auf. Doch was ist mit der Mitte? Kontrolliere also, ob dein Spannungsbogen die Leser die ganze Geschichte hindurch mitnimmt. Meist wird der Leser am Anfang neugierig gemacht, die Spannung steigt langsam an und entlädt sich im Finale am Schluss. Ein permanentes Auf und Ab der Spannung bei  einem insgesamt steigendem Verlauf der Spannungskurve ist besser als ständige Action, Problemanhäufungen und ein durchgehecheltes Tempo. Hier erfährst du, wie du Spannung aufbauen kannst – und eventuell auch Ruhe hereinbringst.
Jede Szene an sich sollte dabei einen kleinen Konflikt aufweisen, der den Leser zum Weiterlesen animiert. Ruhige Szenen sind also nicht zu verwechseln mit langweiligen Szenen. Ein innerer Monolog einer Figur bringt zum Beispiel Ruhe ins Geschehen hinein, aber das, über das sich die Figur Gedanken macht, kann durchaus nervenaufreibend sein.

 

7. Wird deine Zielgruppe zufrieden sein?

Ein wichtiger Punkt. Meine Drachengeschichte ist für Kinder ab zehn Jahren und da käme es nicht gut an, wenn ich einen Hauptfigur-Drachen sterben ließe. Bei einem Buch für Erwachsene wäre das anders. Hier könnte ich mit dem Tod eines Protagonisten starke Gefühle erzeugen. Und Gefühle erwecken wollen wir ja – aus keinem anderen Grund lesen wir Bücher. Natürlich muss das auch sorgfältig abgewogen werden, aber du verstehst sicher, auf was ich hinauswill.
Wird das Buch den Kindern gefallen? Was für Erwartungen haben sie und werden diese erfüllt? Ist die Sprache angemessen? Ist die Story nicht zu kompliziert, aber auch nicht zu banal?

 

Fazit

Selbst seine Geschichte objektiv zu beurteilen, ist alles andere als leicht. Wunderbar ist es, wenn du tolle Testleser hast. Aber es ist nötig, schon vorher einschätzen zu können, auf welchem Level der Roman ist. Ob man ihn überhaupt an Testleser weiterreichen kann oder lieber noch einmal eine Überarbeitungsrunde startet.

 

Hast du noch einen Tipp, auf was man beim Einschätzen seiner Geschichten achten sollte? Teile es gerne in den Kommentaren mit!

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