Ich sitze aktuell gerade am dritten Band meiner Kindergeschichte. Genre: Fantasy.
Kinder und Jugendliche lesen nicht mehr so viel wie früher, hört man. Und auch reine Fantasy ist im Nach-Harry-Potter-Zeitalter nicht mehr so angesagt. Außer, man mischt romantische Elemente unter, aber dann ist man schon eher im All-Age bzw. Jugendbuch-Bereich.
Wenn man den Statistiken glauben darf, habe ich wenig Chancen, in diesem Genre erfolgreich zu werden. Oder gar einen Bestseller zu landen, und sei die Geschichte auch noch so spannend und gut.
Also ab jetzt nur noch Liebesromane schreiben?
Eine Zeitlang hat mich das frustriert.
Also hab ich mich hingesetzt und überlegt: Ja, was müsstest du denn schreiben, um viele Bücher zu verkaufen?
Die rasche Antwort „Liebesromane oder Thriller” hat mich nicht richtig zufriedengestellt. Klar, in diesen beiden Genres werden tatsächlich Unmengen Bücher verkauft. Irgendwann schreibe ich sicher einen Thriller. Vielleicht. Aber dann nicht, weil ich ihn schreiben MUSS, um Bücher zu verkaufen, sondern weil ich es WILL.
Und hey, es muss doch möglich sein, ein gutes Buch, das sich auch verkauft, in einem der vielen anderen Genre zu schreiben? Es gibt doch viele Klassiker, die sich tausend-, ach was, millionenfach verkaufen und die keine Liebesromane oder Thriller sind.
Okay, Werbung ist die eine Sache. Das Buch muss auch gesehen werden. Aber lassen wir das mal außen vor, zunächst einmal muss das Buch richtig, richtig gut werden. So dachte ich jedenfalls …
Stimmt aber nicht ganz!
Man darf eine Sache nicht verwechseln: Ein Buch, das sich gut verkauft, muss nicht zwangsläufig von der technischen Seite her gut sein. Also qualitativ, meine ich. Es gibt Verkaufsschlager, die sind ziemlich schlecht geschrieben. Aber, und das ist der Punkt, sie treffen einen Nerv bei den Lesern.
Mit einem schlecht geschriebenen Roman hat man wenig Chancen
Trotzdem sollte man natürlich anstreben, das Buch so gut wie möglich zu schreiben. Sprich, tolle Charaktere, einen hammermäßigen Plot mit überraschenden Wendungen und einen ansprechenden Schreibstil. Denn, die schlecht geschriebenen Verkaufswunder sind eben TROTZ ihrer Mängel erfolgreich und nicht WEGEN ihnen. Da hat der/die Autor/in eben einfach Glück gehabt.
Nun will ich nicht gleich einen Klassiker schreiben. Ein Buch, das sich gut verkauft – also einen Bestseller – jedoch schon. Beides zusammen wäre die Krönung. Klassiker verkaufen sich immer gut, sonst wären sie keine – streben wir also an, ein Buch zu schreiben, das handwerklich gesehen in Ordnung ist und die Leser in irgendeinem Punkt ihres Gemüts trifft, also die breite Masse der Leser berührt. Und das völlig unabhängig vom Genre.
Was macht einen Klassiker zum Klassiker?
Also Wikipedia sagt dazu sinngemäß: Ein Klassiker gilt als formvollendet und harmonisch, bildet den zeitlosen Kontrapunkt zur zeitabhängigen Mode. Merkmale sind unter anderem eine lange überregionale Bekanntheit (gut, wenn wir einen Klassiker schreiben wollen, so müsste sich dieser Punkt erst bilden), eine hohe Qualität (also zumindest bei Klassikern), Innovationspotential (also neue Ideen, Themen oder Zusammenstellungen derselben. Es ist in der Literatur sehr schwer, völlig neue Ideen zu entwickeln), Einfluss auf die Kultur (auch dieser Punkt würde sich erst nach dem Erscheinen des Romans herausstellen. Ich fürchte, einen Roman mit der Absicht zu schreiben, neue Trends zu erwecken, ist schwierig), Zeitlosigkeit der Themen wie Liebe, Hass und Wut, Familie, Abenteuer, Widerstand und Anpassung.
Die Themen, die Wikipedia hier als Merkmale eines Klassikers aufzählt, können jedoch grundsätzlich in jedem Genre vorkommen. Das ist eine ganz wichtige Botschaft für jeden, der keine Liebesromane oder Thriller schreibt.
Ich glaube, das ist auch das Geheimnis der Kassenschlager wie Fifty Shades of Grey, Harry Potter, Herr der Ringe, Das Geheimnis der Rose oder wie sie alle heißen. Sie alle greifen eines der „zeitlosen Themen” der Klassiker auf, nur die Verpackung ist eben immer anders.
Auf die Themen kommt es an!
Interessant dabei ist, dass diese Themen mehr oder weniger „alltäglich” sind. Liebe, Hass, Wut, Familie, diese Themen sind uns allen vertraut. Auch Widerstand und Anpassung kennen wir – du musst nicht gleich an Revolution und Sklaverei denken, es reicht schon der Widerstand eines Jugendlichen gegenüber seinen Eltern. Oder die alltägliche Anpassung, die von uns allen in Beruf oder Schule verlangt wird.
Was ist mit Abenteuern? Sehnen wir uns nicht alle danach, unserem tristen Alltag zu entfliehen? Ist das nicht Sehnsucht nach Abenteuer? Natürlich gibt es Menschen, die nie eines erleben und auch keines erleben wollen. Vielleicht ist es aber für solche Menschen schon ein Abenteuer, bei Dunkelheit die Straße zu überqueren. So gesehen, erleben wir eben doch alle Abenteuer. Oder träumen zumindest davon, ob im positiven oder negativen Sinne, sei dahingestellt.
Ja, wollen wir denn nur über Bekanntes lesen?
Anscheinend schon. Zumindest muss zwingend daran angeknüpft werden. Sind die Themen nicht allen bekannt, schrumpft automatisch die Leserschaft. Vielleicht erklärt sich hierüber die Nischenrolle, die beispielsweise Science-Fiction spielt. Nicht jeder kann mit Technik und fremden Welten etwas anfangen. Oder auch Fantasy. Es gibt viele Leute, die Fantasy hassen.
Schreibst du also Science-Fiction oder Fantasy, kann ich dir nur raten, deine Geschichte mit obengenannten Themen gründlich zu durchweben. Vielleicht hast du dann eine Chance, auch in diesen nicht so gefragten Genres einen massentauglichen Roman zu schreiben.
Ein bisschen Übertreibung tut gut …
Natürlich wollen wir nichts über Lisa Müllers Alltag hören. Es interessiert niemanden die Bohne, wie sie ihre Kindheit und Jugend in ihrer ganz gewöhnlichen Kleinstadt verbracht hat.
Nein, es muss schon etwas Außergewöhnliches in Lisa Müllers Leben passieren. Sie darf gerne so sein wie du und ich, sich ärgern über ihren Freund, sich freuen über ihre Katze, aber dann muss etwas Dramatisches in ihrem Leben passieren, etwas, das es wert ist, erzählt zu werden. Jeder von uns erlebt manchmal spannende Sachen, nur, um sie in einem Roman zu verwenden, dürfen diese Ereignisse gerne etwas ausgebaut und ausgeschmückt werden. Wichtig ist, dass sie unserer Lebenswelt, unserer alltäglichen Realität entsprungen sind, sodass alle etwas damit anfangen können.
Mein (rein persönliches, vorläufiges) Fazit
Es gibt beliebte Genres, ja, aber nicht das Genre bestimmt allein den Erfolg.
Es sind die Themen, die ein Buch für die allermeisten Menschen interessant machen – und rein theoretisch kann jedes der angesprochenen „zeitlosen Themen” in jedem Genre behandelt werden. Mit Protagonisten, mit denen wir uns identifizieren können, die genauso zwischenmenschliche Konflikte durchmachen wie wir selbst und indem wir Alltägliches mit Außergewöhnlichem verbinden, können wir die breite Masse an Lesern fesseln.
Dieses Thema – was macht ein Buch zu einem Erfolg? – ist faszinierend und verdient es, weiter vertieft zu werden. Ich bin sicher, dass ich mich damit in nächster Zeit noch einmal mit beschäftigen werde.