Kritik von Testlesern – Fluch und Segen zugleich

Kritik von Testlesern - Fluch und Segen zugleich
Seinen Text herzugeben, um ihn der Kritik von Testlesern auszusetzen, ist ein schwieriger Schritt. Ich dachte, mit der Zeit wird es besser, aber Pustekuchen. Jedes Mal kommen diese Selbstzweifel hoch.
Mein Text ist sch…e. Bestimmt wird sie/er ihn zerreißen. Oder noch schlimmer: Er/sie versucht, mir mit beschönigenden Worten beizubringen, dass die Geschichte megalangweilig ist und ich das Schreiben doch besser ganz lassen sollte.
Ein Buch an Testleser weiterzugeben, fühlt sich nicht immer großartig an. Natürlich bist du stolz auf deine Geschichte. Du hast ja schließlich lange genug daran gewerkelt, und deiner Meinung nach muss jetzt alles perfekt sein.
Aber plötzlich haben fremde Leute Einlass in deine Gedankenwelt, sie betrachten deine geliebten Figuren, deine Schauplätze, deine genialen Ideen und urteilen darüber.

 

Kritik von Testlesern

Wenn eines meiner Bücher bei Testlesern ist, bin ich total unruhig. Manchmal mag ich gar nicht daran denken. Ich hab Herzklopfen, wenn ich mein Email-Postfach öffne. Klicke ich die Mail an, ist die Spannung unerträglich. Wird mein Text zerrissen? Oder gelobt?

 

Deine Gedanken bestimmen deine Realität

Selbstzweifel sind verdammt schädlich. Sie zermürben uns und untergraben unsere Motivation und Kreativität.
Besser wäre es natürlich, sich zu sagen, „Okay, meine Geschichte ist vielleicht im Moment noch nicht ganz rund. Aber dazu habe ich sie ja den Testlesern gegeben. Damit sie von mir verbessert werden kann. Und ich werde daraus die weltallerbeste Geschichte machen.”
Vermutlich werden das Herzklopfen und die damit einhergehenden Selbstzweifel nie ganz verschwinden. Aber man kann an sich arbeiten und sich auf ein Ziel fokussieren.
Nämlich dein Ziel, mit deiner Geschichte Leserinnen und Leser zu begeistern.
Ich weiß nicht mehr, wer das gesagt hat, aber wir sind das Ergebnis unserer Gedanken. Also dann bitte, bepflastere deinen Computer mit positiven Affirmationen „ich kann schreiben!” „ich schaffe das!”, drucke dir 5-Sterne-Rezensionen aus, wenn du schon welche hast und überlege einfach einmal, was du schon alles geschafft hast.

 

Suche dir deine Testleser sehr, sehr sorgfältig aus

Es gibt Testleser, die können einem die Freude an seinem Werk regelrecht verderben. Wenn du einen solchen erwischt hast, nimm deine Geschichte und lass ihn stehen. Schreib ihn bloß nicht noch einmal an, nur weil du gerade keinen anderen zur Hand hast.
Halte dich an die, die dir ehrliches konstruktives Feedback gegeben haben. Ja, es ist mühsam, solche Leute zu finden. Wie du Testleser finden kannst, habe ich in diesem Artikel beschrieben. Leider dauert es seine Zeit, bis man geeignete zur Hand hat. Hüte sie wie deinen Augapfel.
Dabei muss es von dem Testleser nicht mal böse gemeint sein. Vielleicht ist er einfach für deinen Schreibstil ungeeignet, oder er kennt sich mit den Hintergründen nicht aus, oder sonst irgendwas. Aber ist der Schaden in deiner Psyche erst einmal angerichtet, wuchert er dort wochen- oder gar monatelang. Es gab Zeiten, wo ich mein Manuskript nicht mit der Kneifzange angefasst habe. Ich wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen, wenn ich nur an die Geschichte gedacht habe. Solche „falschen” Testleser können unglaublichen Schaden anrichten.
Leider ist es so, dass negative, niederschmetternde Kritik von Testlesern uns viel mehr beschäftigt als die positive. Ich will damit sagen, dass gefühlt 10 positve Meinungen kommen müssen, um eine negative wieder auszugleichen. Ja, so schlimm ist das.

 

Der Hintergrund deiner Testleser ist entscheidend

Lesen sie dein Genre gerne? Schreiben sie selbst oder testlesen sie häufig? Sind sie Vielleser? Für differenzierte Kritik ist Erfahrung nötig. Schaue dir auch wenn möglich Texte deiner Testleser an – zum Beispiel biete ihnen an, ihre Geschichte gegenzulesen. Das ist natürlich mit viel Arbeit verbunden, aber sollte erstens selbstverständlich sein und zweitens bietet es dir eine gute Beurteilungsgrundlage, wie du seine/ihre Kritik einordnen kannst. Wenn deine Testleserin selbst keine zwei geraden Sätze fertigbringen kann – das ist natürlich überspitzt formuliert -, dann solltest du ihre Kritik bezüglich deines Satzbaus mit Vorsicht betrachten. Ich schätze, du weißt, was ich damit sagen will.
Umgekehrt kann es natürlich sein, dass sie nicht gerade eine Leuchte in Grammatik und Stil ist – aber dafür eine Meisterin im Aufspüren von Logikfehlern. Deshalb muss jeder Testleser völlig individuell behandelt werden.

 

Kleine Anekdote:

Witzigerweise hatte ich jetzt zwei Testleserinnen im Seniorinnen-Alter. Beide hatten mit Kindern / Enkeln zu tun und wollten meine Drachengeschichte (ab ca. 10 Jahre) gerne testlesen. Ich schätze ihre Kritik sehr, sie haben mir beide extrem weitergeholfen.
Meiner Meinung nach brauche ich zwei „Sorten” Testleser für ein Kinder- oder Jugendbuch: Einmal natürlich die Kinder selbst. Die sagen dir, ob ihnen die Geschichte gefällt oder nicht. Und dann Menschen, die sich mit dem Schreiben von Büchern auskennen. Das sind in der Regel Erwachsene.
Aber diese älteren Testleserinnen hatten beide ein Problem mit den (Fantasy-)Namen und leichte Verständnisschwierigkeiten mit dem Setting. Da meine Zielgruppe aber im Schnitt 60 Jahre jünger ist, werde ich mir darüber keine Sorgen machen. Die Kinder kriegen das hin.
Dies nur so als Beispiel, wie du die Kritik deiner Testleser einzuordnen hast.

 

Die Erfahrung bringt’s

Bei meinem ersten Buch, welches ich Testlesern gegeben habe, war ich noch ziemlich unerfahren. Entsprechend haben mich solche Kommentare wie oben dargestellt, völlig durcheinandergebracht. Ich baute Erklärungen ein, falls jemand nicht mehr wusste, wer XY war, und solche Dinge – genau wie man es eigentlich nicht machen sollte. Mittlerweile traue ich meinen Lesern wieder mehr zu, und die Erläuterungen sind verschwunden.

 

Deine Geschichte ist im Entstehen – und noch lange nicht fertig

Zusätzlich hilft es dir vielleicht, dir selbst klarzumachen, dass du an einem Projekt arbeitest und dein Manuskript noch keinen fertigen Roman darstellt.
Das nimmt enorm den Druck heraus.
Denn ein fertiger Roman ist perfekt. Er hat einen mitreißenden Klappentext, ein tolles Cover, und natürlich einen wohldurchdachten, logisch strukturierten und raffiniert verwobenen Plot, der sämtliche Leser vom Hocker reißt und den sie in einem Rutsch durchlesen.
Aber (d)ein Buchprojekt ist im Entstehen, an ihm wird gewerkelt, verbessert, umgeworfen und neu strukturiert. Wenn du so an deine Geschichte herangehst, wird es dir leichter fallen, sie an Testleser zu geben. Es darf entstehen!

 

Akzeptiere wohlmeinende Kritik

Kritik von Testlesern tut immer weh. Am Anfang. Dann, wenn man die Wunde ausgeleckt hat, kann man anfangen, nach der Wahrheit dahinter zu suchen.
Dazu muss man allerdings bereit sein, ehrlich zu sich selbst zu sein. Aber mal Hand aufs Herz, warum hast du dein Manuskript an Testleser gegeben, wenn du die Wahrheit nicht hören willst? Dass dein Text, so wie er im Moment ist, nicht überzeugt? Das heißt ja noch lange nicht, dass er nicht eines Tages großartig werden kann!
Einmal hatte ich eine Testleserin, die sich regelrecht gescheut hatte, mir ihre Kritik beizubringen. Sie war in Panik, ob ich beleidigt oder genervt reagiere und erzählte mir, was sie alles schon erlebt hatte. Leute, die sie beschimpft hatten, die sie arrogant genannt hatten und so weiter. Na, so etwas.

 

Kritik verbessert dich

Mit jeder Kritik von Testlesern, die konstruktiv ist, verbesserst du deine Fertigkeiten. Ich durfte schon so viel von meinen Testlesern lernen. Sie wiesen mich auf Dinge hin, auf die ich selbst nie gekommen wäre. Eine brachte mir die wunderbare Funktion von word nahe, sich den Text vorlesen zu lassen. Das ist vielleicht keine inhaltliche Verbesserung, sondern eher eine technische, aber seitdem verbessere ich meine Geschichten viel einfacher selbst. Ich will damit sagen, dass sich der Austausch mit anderen Menschen immer lohnt.
Letztens bekam ich eine ganz, ganz nette Kritik. Sie fand meine Geschichte toll, hat auch begründet, warum und fragte mich, ob sie Werbung machen dürfte und wollte allen ihren Freundinnen mit Kindern im entsprechenden Alter das Buch empfehlen.
Das freut einen natürlich! Ich habe mir ihre Email ausgedruckt, ich geb’s zu. Es hilft enorm, wenn eine andere Testleserin über den gleichen Text schreibt, sie wäre nicht mit dem Protagonisten warmgeworden … sie konnte es auch glaubhaft begründen. Oh Mensch. So unterschiedlich können Bewertungen sein.

 

So unterschiedlich sind die Menschen. Also auch deine Leser. Einige werden deine Texte lieben, andere die Nase darüber rümpfen. Wenn man das erst einmal akzeptiert, wird es leichter. Aber nur etwas.

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