Eine Buchhandlung.
Eigentlich ein Ort, wo sich Schriftsteller gerne aufhalten sollten. All die tollen Bücher … allerdings, wenn ich schlecht drauf bin, kommen plötzlich diese fiesen Selbstzweifel. Niemals kann ich hier mithalten, niemals werden meine Bücher hier in den Regalen stehen, meine Geschichten sind doch Mist und überhaupt, ich bin doch blutiger Anfänger und hab keine Ahnung … ein Sechstklässler kann bessere Geschichten schreiben als ich …
Auch als ich durch die Frankfurter Buchmesse geschlendert bin, kamen diese stechenden, blitzartigen Zweifel auf. Es gibt Abermillionen Bücher – die Welt wartet keinesfalls auf meine. Und in diesem knallharten Business gehe ich unter …
Stopp. Gedankenkarussell Ende.
Natürlich sind solche Gedanken vorhanden. Sie plagen schätzungsweise jeden von uns Autoren, sogar die schon veröffentlichten und erfolgreichen.
Aber leider ziehen sie uns runter. Und manche von uns so sehr, dass sie erst gar nicht mit dem Schreiben anfangen (wollen) oder ihre Geschichte in die Ecke werfen.
Deshalb ist die entscheidende Frage:
Wie gehe ich mit diesen zermürbenden Selbstzweifeln um?
Willst du aufgeben? Aufhören zu schreiben? Nein, sicher nicht.
Darum mach dir sofort klar:
1. Auch andere kochen nur mit Wasser
Auch andere Autoren, selbst die, die in den Regalen ganz vorne stehen, haben einmal von vorne angefangen. Und manche machen es vielleicht sogar schlechter. Neulich hatte ich mir ein Buch aus der Badischen Landesbibliothek ausgeliehen, das gespickt mit Rechtschreib- und Grammatikfehlern war. Ich konnte meinen Augen nicht trauen, dass so ein Buch veröffentlicht worden war. Auch inhaltlich hatte ich einiges zu bemängeln. Also: Es wird immer einige geben, die es besser, aber auch immer welche, die es schlechter machen.
Jeder glaubt irgendwie immer, dass er ganz alleine ein Problem mit irgendetwas hat. Alle anderen können es viel besser und sind die Erfolgstypen, nicht? Stimmt eben NICHT!
Womit wir gleich beim zweiten Ratschlag wären:
2. Gib dein Bestes
Sicher. Ein bisschen hat Schreiben auch mit Talent zu tun. Aber jeder, der gerne schreibt, beschäftigt sich auch damit und wird dadurch automatisch ein Gespür für Sprache und gute Geschichten entwickeln.
Und seien wir ehrlich: Das meiste ist Handwerk. Das ist auch die gute Nachricht, denn das Handwerk kann man lernen. Man muss sich nur intensiv damit auseinandersetzen. Und das sollte für dich kein Problem sein, denn schließlich schreibst du ja gerne 🙂
Streng dich an, lerne das Handwerk, sei nicht faul und der Erfolg wird sich einstellen. Langsamer oder schneller, aber er wird kommen.
Das ist nämlich der Deal, du musst dein Bestes geben. Wenn du dein Bestes gibst, dann kannst du dir auch keine Vorwürfe machen. Dann kannst du diesem Monster namens Selbstzweifel einigermaßen erfolgreich den Mund stopfen. Denn besser kannst du im Moment nicht, ob andere (und du selbst) das nun gut oder schlecht finden.
Natürlich wirst du trotzdem Zweifel haben. Aber du weißt selbst, es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und auch wenn die Medien es uns glauben lassen wollen, selbst die gegenwärtigen Meister waren nicht von Anfang an Schreibgenies. Genau wie alle anderen haben sie sich ihren Weg langsam und hart erarbeitet. Sie sind nur jetzt am Gipfel des Berges angekommen, während wir noch ganz unten am Fuß stehen.
Hierzu gehört auch, dass du dir klarmachst, dass du nur Schritt für Schritt vorwärtskommst. Also lies nicht zehn oder zwanzig Schreibratgeber und erwarte dann, dass du einen Bestseller herunterschreibst. Soviel auf einmal kann kein Mensch aufnehmen und umsetzen. Verbesserungen erfolgen in kleinen Schritten und es ist unmöglich, eine Abkürzung zu nehmen.
Viel schreiben, sprich, so viel Erfahrung sammeln wie möglich, das ist immer noch der beste Weg und den kann dir leider keiner abnehmen.
3. Schiebe die Selbstzweifel beiseite
Auf den ersten Blick ein doofer Ratschlag, ich weiß. Aber wenn du über deinen Roman nachdenkst und plötzlich das Gefühl hast, noch nie so eine langweilige Geschichte gehört zu haben, dann überlege doch mal bitte, was dich ganz am Anfang so an der Idee fasziniert hat. Irgendwas muss es ja sein, dass dich dazu bewogen hat, diese Geschichte aufzuschreiben.
Frage dich, warum dich die Geschichte plötzlich langweilt. Ist es, weil sie dir inzwischen ausgelutscht vorkommt (weil du dich schon monatelang mit ihr beschäftigt hast?) Dann hilft es, wenn du dich auf die Faszination des Anfangs zurückbesinnst. Mach dir klar, dass andere deine Geschichte noch nie gelesen haben und genauso begeistert sein werden wie du damals.
Und vielleicht kannst du die Idee noch verbessern? Noch eine unerwartete Wendung herbeiführen? Wenn deine Zweifel nicht inhaltlicher Art sind, sondern es an der Technik fehlt, lies bitte nochmal Punkt 2 durch.
Und noch etwas: Wenn man sehr lange an einem Text gearbeitet hat, kann man ihn gar nicht mehr objektiv beurteilen. Mir geht es mit Romananfängen so. Das ist die Textstelle, die ich mit Abstand am öftesten lese und irgendwann kommt mir jeder Anfang so blöd, idiotisch und kindisch vor, dass ich ihn am liebsten neu schreiben möchte. Aber wenn ich Testleser dann frage, wie sie den Anfang finden, ist dieser Eindruck meist gar nicht gerechtfertigt. Wenn ich weiß, dass sie mir einmal gefallen haben, lasse ich Romananfänge meist stehen und vertraue auf das Urteil meiner Testleser. Denn ich selbst bin nicht mehr in der Lage, diese Textstelle objektiv zu beurteilen.
4. Schreibe den ersten Entwurf so schnell es geht herunter
Im ersten Entwurf hat der innere Kritiker zu schweigen. Dafür ist später noch Zeit, und da können die verflixten Selbstzweifel durchaus einmal ernst genommen werden. Ohne Selbstzweifel hätten wir ja keine Chance, uns zu verbessern.
Aber bringe sie beim Schreiben des Rohentwurfs zum Verstummen, sonst wirst du womöglich noch daran gehindert, überhaupt weiterzuschreiben.
Eine gute Möglichkeit, das Beiseiteschieben des inneren Kritikers zu üben, ist der NaNoWriMo. Du hast einfach keine Wahl, du musst weiterschreiben, sonst schaffst du dein Tagespensum nicht.
Allen, die völlig übermäßig von Selbstzweifeln geplagt werden, empfehle ich wärmstens, beim NaNoWriMo mitzumachen. Diese Erfahrung, ein ganzes Buch in kurzer Zeit herunterzuschreiben und dabei den Zweifeln keinen Platz einzuräumen, kann man in Worten gar nicht ausdrücken. Lies dazu gern meinen Artikel „NaNoWriMo – was ist das und warum sollte ich da mitmachen”.
5. Freunde dich mit deinen Selbstzweifeln an
Selbstzweifel sind nicht nur schlecht. Sie können dich anspornen, dir mehr Mühe zu geben. Vielleicht musst du dich mit einer bestimmten Technik intensiver befassen. Das muss dich nicht ärgern, denn es bringt dich dadurch in deiner Entwicklung voran.
Du musst nur versuchen, ehrlich mit dir selbst zu sein. Hat dieser Zweifel seine Berechtigung? Habst du wirklich geschlampert, z.B. bei der Entwicklung dieses Charakters ? Wenn du diese Frage mit Ja beantworten musst, bleibt dir wohl nichts anderes übrig, als dich nochmals hinzusetzen und dir den Fehler vorzunehmen.
Oder ist deine momentane Stimmung dafür verantwortlich, dass du alles doof und schlecht findest? Dann solltest du dich nicht herunterziehen lassen. Lass einen Tag vergehen, bring dich wieder auf die Beine und schreib weiter.
6. Du wirst es nie allen recht machen können
Hat dich eine Kritik, vielleicht die eines Testlesers oder eines Rezensenten, heruntergezogen? Prüfe, ob sie gerechtfertigt ist. Wenn nein, hilft dir vielleicht folgende Szene:
Diese kleine Geschichte hat mir vor Jahren die Augen geöffnet. Seitdem ist es mir egal, was andere denken. Ich schreibe, was ich will und was mir gefällt. Wenn ich eine Szene gut finde und es handwerklich an ihr nichts zu meckern gibt, bleibt sie. Auch wenn alle Testleser sie doof finden. Ich finde sie nicht doof, und das ist entscheidend. Vertraue darauf, dass es da draußen noch Millionen Leute gibt, die diese Szene genauso genial finden wie du.
Bitte nicht falsch verstehen, ich liebe meine Testleser und bin ihnen unendlich dankbar, wenn sie mir mal wieder die Augen öffnen. Aber manchmal sind Meinungen bzw. Beurteilungen eben subjektiv und dann erlaube ich mir, meinen eigenen Kopf anzuschalten und die Geschichte so zu gestalten, wie ich es für richtig halte. Die Idee, der Schreibstil, die Umsetzung – es wird immer einigen gefallen und anderen wiederum nicht. Das ist nicht zu ändern.
7. Such dir Personen, die deine Geschichte beurteilen
Dieser Ratschlag ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Beachte bitte auch unbedingt Punkt 6! Je nachdem, welche Leute du dir aussuchst, kann dich ihre Meinung nämlich auch runterziehen. Und wenn du Freunde oder Familie fragst, kann es sein, dass dich ihre Meinung trotz allem Lob nicht aufbaut, weil du insgeheim denkst, die sagen das nur, weil sie sich nicht trauen, ehrlich zu sein.
Aber eine ehrliche Kritik von einem kompetenten Leser oder Autorenfreund kann dir enorm weiterhelfen. Sei es, dass sie dir bestätigen, dass du noch an deinem Schreibstil arbeiten musst, oder dass sie dich ermutigen, weiterzuschreiben und eventuell noch dies oder das zu verbessern.
Sicher, Kritik lässt einem am Anfang wirklich schlucken, aber wenn man sie sich zu Herzen nimmt, hast du eine echte Chance, dich weiter zu verbessern. Und motivieren können dich andere Menschen auf jeden Fall!
8. Nimm dir nicht zu viel vor
Es gibt unendlich viele Fallstricke, die beim Schreiben lauern. Ein unausgefeilter Plot, Charaktere, die einfach tun, was sie wollen, viel zu viele Handlungsstränge, die womöglich noch ins Nichts führen oder so verworren sind, dass niemand sie je entwirren kann, etc. etc.
Da muss man ja in Selbstzweifeln zerfließen!!! Deshalb backe am Anfang lieber kleine Brötchen. Nicht gleich das mehrbändige Fantasy-Epos. Das wird mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit schiefgehen.
Aber vielleicht muss jeder diesen Fehler mal gemacht haben. So auch ich, mein absolut geniales mehrbändiges High-Fantasy-Epos, über mehrere Jahre geplottet und mittlerweile weit über 100000 Wörter, liegt seit mehreren Jahren in der Schublade und wartet darauf, dass ich endlich die Kompetenz entwickle, ein so hochkompliziert gewobenes Werk fertigzustellen.
Irgendwann habe ich eingesehen, dass ich dieser Monsteraufgabe noch nicht gewachsen war. Ich habe das Problem so gelöst, dass ich stattdessen einen kurzen, einbändigen, einfach gestrickten Roman geschrieben habe, bei dem ich mich unmöglich verzetteln konnte. Noch dazu habe ich die Ich-Perspektive gewählt, die sicherstellt (meistens jedenfalls), dass der Roman nur einen Handlungsstrang enthält und dadurch überschaubar bleibt. Das heißt nicht, dass so ein Roman eintönig und langweilig ist. Eine originelle Grundidee und eine gute Umsetzung sorgen genauso dafür, dass die Leser/innen exzellent unterhalten werden. Viele Bestseller weisen ein solch einfaches Grundgerüst auf. Und üben und lernen kannst du an solchen einfachen Strickmustern genauso gut. Oder eigentlich eher noch besser, weil du in überschaubarer Zeit ein Erfolgserlebnis hast und dich im nächsten Roman wieder ein Stück steigern kannst.
Mit einfachen, kurzen Geschichten kannst du auch verschiedene Arbeitsmethoden ausprobieren. Bist du eher ein Plotter oder nicht? Treten Probleme auf, lassen sie sich leichter lösen. Oder du versuchst dich in verschiedenen Genres. Schon manch eine war überrascht, als sich herausstellte, dass sie lieber Liebesromane schreibt als Fantasy.
9. Arbeite an deinem Selbstbewusstsein
Alle Tipps, die du hier gelesen hast, laufen im Prinzip auf diesen Punkt hier hinaus. Das Schreiben ist nicht abgekoppelt von deinem sonstigem Leben. Bist du ein unsicherer Mensch, werden dich eher Selbstzweifel befallen als wenn du vor Selbstbewusstsein strotzt. Daher wird alles, was deine Persönlichkeit wachsen lässt, sich unmittelbar auch auf deine Fähigkeiten zu schreiben auswirken.
Vielleicht übernimmst du einige der Tipps, selbstverständlich etwas abgewandelt, auch für dein Alltagsleben. Oder umgekehrt, du stärkst deine Energie und dein Selbstbewusstsein in jedem Bereich deines Lebens und profitierst darüber beim Schreiben. Auch Glaubenssätze können sehr hinderlich sein, fürs Schreiben und für das Leben sowieso.
Konzentriere dich eher auf die Bereiche, in denen du gut bist und übertrage den Stolz, den du dabei empfindest, auf das Schreiben. Wenn du zum Beispiel seit zehn Jahren eine Kinder-Turngruppe leitest, dann hast du doch bewiesen, dass du dich mit Theorie und Praxis eines bestimmten Bereiches beschäftigen kannst! Warum sollte dir das nicht auch beim Schreiben gelingen? Wo stehst du in zehn Jahren beim Schreiben, wenn du dich genauso intensiv damit auseinandersetzt?